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Mittwoch, 25. Februar 2015



Liebe Mitmenschen,

Neonlicht im Badezimmer kann ganz schön runterziehen. Vor allem am frühen Morgen. Diese Fältchen um die Mundwinkel, und diese Stirnfalten! Und die Haut um die Augen hatte auch schon mal mehr Spannkraft. Kein Zweifel, „das Leben hat Spuren hinterlassen!“ denke ich.

Die  Ausländer, die Alanya als Wahlheimat für kurze oder längere Zeit gewählt haben, sind größtenteils Rentner. die meisten über 60 Jahre, viele über 70 Jahre alt. Junge Menschen würden sie als alt bezeichnen.

Aber was heißt das schon: alt sein. Alt heißt erst mal, man hat schon einiges erlebt. Man muss also nicht mehr alles ganz neu durchdenken. Man hat schon mal Liebeskummer gehabt, hat schon mal getrauert. Man hat schon mal um eine Stelle gekämpft, hat Niederlagen erlebt und Erfolge gefeiert. Und das hat seine Spuren hinterlassen.

Eigentlich ist es gar nicht so schlecht, nicht immer ganz von vorne anfangen zu müssen. Die Summe an Lebenserfahrung hilft mir, auf Herausforderungen mit einer gewissen Routine zu reagieren. Älter werden heißt auch gelassener leben.

Wenn ich so an meinen Fältchen entlang auf mein Leben zurückschaue, erkenne ich deutlich, dass mich das Leben immer mal wieder ganz schön herausgefordert hat. Aber ich sehe auch, dass ich immer die Kraft bekommen habe, damit umzugehen, damit zu leben, mich vom Leben auch tragen zu lassen.

„Ja, ich will euch tragen“, sagt Gott durch den Propheten Jesaja zu den Menschen, „ja ich will euch tragen bis zum Alter hin, bis ihr grau und alt werdet.“  Grau bin ich noch nicht, aber getragen fühle ich mich. Jetzt, wo ich noch keine 70 bin, und hoffentlich dann auch jenseits dieser Altersgrenze. 

So gesehen: ein Hoch auf das Neonlicht im Badezimmer, jede Falte zeigt, dass ich getragen bin.

Es grüßt Sie herzlich

Karl-Heinz Pastoors
aus Alanya

Mittwoch, 18. Februar 2015



Liebe Mitmenschen,

am 1. Februar, am Sonntag Septuagesimae, haben wir in unserer christlichen Gemeinde in Alanya über das Gleichnis vom Weinbergbesitzer nachgedacht. Es ist davon die Rede, dass der Besitzer am Morgen Arbeiter einstellt, mit denen er einen Tagelohn von einem Silberstück vereinbart. Der Weinbergbesitzer geht nach jeweils drei Stunden weitere drei Mal auf den Marktplatz, um Arbeiter einzustellen. Am Ende des Arbeitstages nach zwölf Stunden bezahlt er zuerst die zuletzt Eingestellten, die nur eine Stunde gearbeitet haben, ein Silberstück. Auch alle anderen erhalten diesen Lohn.

Die Arbeiter, die den ganzen Tag gearbeitet haben, beschweren sich beim Hausherrn. Sie fordern mehr Lohn, weil sie mehr gearbeitet haben. Der Hausherr weist die Kritik aber zurück, indem er die verärgerten Arbeiter daran erinnert, dass sie mit ihm doch zuvor über die Bezahlung eines Silberstücks übereingekommen waren und dass er zudem mit seinem Geld machen könne, was er wolle.

Es ist die alte Menschheitsfrage nach persönlichem Verdienst und sozialem Rang, nach der Gerechtigkeit für den Einzelnen und in der Gesellschaft. Es ist das ewige Lied vom Vergleichen, wer mehr hat; das Gefühl, zu kurz zu kommen und ungerecht behandelt zu werden; der Neid auf diejenigen, die mehr haben als wir selbst; der unersättliche Drang, noch mehr zu besitzen; und die enttäuschende Erfahrung gerade derjenigen, die sich nach oben geschafft haben und stolz darauf sind, nun zu den Ersten zu gehören.

Auch hier in Alanya, auch in unserer Gemeinde, gibt es die, die Verständnis haben für die Menschen, die neuerdings jede Woche demonstrieren, weil sie Angst vor Überfremdung haben (oder wie sie sagen “ vor der Islamisierung Deutschlands”).

Ich habe lange überlegt, wo die Wurzel des Problems liegt: Es steckt wohl in unserem Bedürfnis, uns zu vergleichen. Oder im Neid.  „Was hab ich, was hast du” frage ich, und schon bald ist klar, wo die Unterschiede sind, wo der andere mehr hat oder weniger tut. Da kommen die Menschen nach Deutschland und bekommen direkt eine Unterkunft und zu essen und eine Heizung. “Wie mussten wir damals kämpfen und arbeiten, bis wir uns etwas leisten konnten”.

Das ist ein Grundübel: Schon bei Kain und Abel war dieser vergleichende Seitenblick die Ursache für den ersten Mord. Wenn es mir gelingt, dieses Vergleichen mal wegzulassen (und das ist nicht immer einfach), dann sieht die Sache ganz anders aus: Schau “ mal dich allein an, oder schau den anderen allein an, und schau, ob die Situation dann ok ist”. Und oft genug merke ich: Ja, es passt und ist sinnvoll. Was brauchst du, was brauche ich – und wir können uns doch freuen, wenn jeder das haben kann, was er benötigt. Dann haben wir zwei Sieger, und müssen nicht auch noch einen zum Verlierer erklären.

Jesu Botschaft ist nicht immer leicht zu verdauen. Es ist manchmal auch schwere Kost. Gottes Güte, sie wird uns im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg vor Augen gestellt. So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Gottes Gerechtigkeit übersteigt alles, was wir für gerecht halten.
Freuen wir uns darauf

Ihr
Karl-Heinz Pastoors aus Alanya

Samstag, 14. Februar 2015

Der Gemahl der Nacht




Die St. Nikolaus Gemeinde

LÄDT ALLE EIN


           

                             zu der Erzählveranstaltung

          Der Gemahl der Nacht
                                           
                                                                                                *
                                          Am  Nachmittag des

  18. Februar um 16.00 Uhr (Mittwoch)

                       erzählt Heidi Holzmann


im Kulturhaus Alanya


         eine märchenhafte Geschichte aus dem alten Konstantinopel

Montag, 2. Februar 2015

Pressefreiheit / Anmerkungen von Rolf G. Rutter

Vorweg: Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Leben eines anderen Menschen auszulöschen, wie es überhaupt keine Rechtfertigung gibt, physische oder psychische Gewalt gegen Menschen anzuwenden.

Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Charlie-Hebdo wird mit lautem Lamento auf die hohen Güter der Meinungs- und der Pressefreiheit hingewiesen. Die beide in einen Topf zu werfen, ist aber schon nicht gerechtfertigt. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich als Privatperson meine Meinung vertreten darf, oder ob man als professioneller Meinungsbildner einer großen Masse beim Denken hilft. Zweifellos ist die Pressefreiheit ein hohes und schützenswertes Gut. Das verlangt aber auch einen sorgfältigen und verantwortungsvollen Umgang damit. Die US Amerikaner sehen das Recht, Schusswaffen tragen zu dürfen, auch als hohes Gut an. Über die Folgen werden wir gelegentlich informiert.

Wir haben uns mittlerweile an ein hohes Maß an Freiheit gewöhnt, eine Freiheit, die aber auch nicht mehr vor den Rechten des Anderen halt macht. Für uns ist es selbstverständlich geworden, dass es unser Nachbar tolerieren muss, wenn wir ihm auf die Füße treten. Anderseits ist eine Beleidigung ein Straftatbestand. Zur Verdeutlichung: Wir maßen uns an, Gottgläubigkeit lächerlich machen zu dürfen, sind aber zutiefst verletzt, wenn uns jemand als Dummkopf bezeichnet. Ständig reden wir über Toleranz, aber die pure Lust am Zerstören zwingt uns, intolerant zu sein.

Wenn man längere Zeit in einem islamischen Land lebt, beginnt man, erheblich daran zu zweifeln, dass unsere ungezügelte Freiheit die optimale Form des Zusammenlebens ist. Können wir uns überhaupt vorstellen, dass der Alltag im Islam wesentlich toleranter ist? Zum Beispiel fordert der Koran, dass Frauen ihre weiblichen Reize nicht zur Schau zu stellen. Man stelle sich vor, wie viel Toleranz nötig ist, um zu akzeptieren, dass Urlauberinnen im knappen Bikini durch Straßen und Geschäfte flanieren und zum Einkauf nur ihre Kreditkarte mitnehmen. - Nicht alle Einheimischen sind vom Geld der Touristen abhängig!

Es gibt viele Menschen, denen ein fest gefügter Rahmen ihres Lebens wichtiger ist als alle Freiheiten dieser Welt. Was gibt uns das Recht, denen unsere Gedankenwelt aufzuzwingen? Das Zusammenleben der Menschen erfordert nun einmal gewisse Regeln, die sich auch außerhalb von Gesetzen zeigen müssen. Andernfalls haben wir das Faustrecht der Neandertaler, das sich in Gewaltorgien schon jetzt allenthalben zeigt und das nur die Allmacht des Geldes anerkennt. Warum fällt es uns so schwer zu akzeptieren, dass es außer unserem Selbstverständnis auch andere Modelle des Zusammenlebens gibt? Jede Religion, die auf gegenseitiger Achtung und Gewaltlosigkeit beruht, ist besser als ein Zusammenleben, das ausschließlich durch starre Gesetzt geregelt ist. Es gibt keine Gründe, weshalb man Religionen lächerlich machen muss, außer der egoistischen Lust am Zerstören. Freizügigkeit und Beliebigkeit, wie wir sie praktizieren, ebnen den Weg für Demagogen. Der Mensch ist nun einmal ein Rudeltier und sucht sich einen Führer, um nachher feststellen zu müssen, dass er angeführt worden ist.

Wenn sich die Satire auf Kurt Tucholsky beruft, sollte sie bitte aber auch ihren Stil mit seinem vergleichen. Nicht jeder Satiriker ist ein Tucholsky.

Rolf G. Rutter (Vorstand einer christlichen Gemeinde in der Türkei)