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Sonntag, 6. Juli 2008

Predigt am 6.Juli 2008 - ... denn Dein ist das Reich...

Liebe Gemeinde,

Sieben Bitten des Vaterunsers haben uns in den letzten Wochen beschäftigt. Jetzt müssen wir den Sack zubinden, den wir vor drei Monaten öffneten.
Die ersten drei Bitten beziehen sich darauf, Gottes Bereich zu akzeptieren und zu schützen. Es ist gut für den Menschen, wenn Gottes Reich kommt, sein Wille geschieht und sein Name geheiligt wird.
Die 4.Bitte betrifft unser konkret-materielles Leben: Wir s i n d Körper und wir leben von Brot. Es ist notwendig, dass dafür richtig gesorgt ist, täglich und nicht auf Vorrat.
Die letzten drei Bitten nehmen die Seele des Menschen in den Blick: Schuld und Vergebung, Versuchung und Erlösung – das formt unsere Seele und hält sie lebendig.
So sorgt das Vaterunser für das Ganze,- für Gott und für den ganzen Menschen. Und es tut das in Form von Bitten.
Alleine können wir das alles nicht richtig bewältigen. Wir versuchen es wohl, autark zu sein, aber wir verwirren und verstricken uns so nur ins Leben anstatt es richtig zu bestehen.
Richtig gepolt ist der Mensch nur, wenn er genordet ist wie ein Kompaß: Hier bin ich, ein Mensch!
Ich habe nicht Bitten, ich b i n Bitte. Ich bin eine offene Frage auf Gott hin. Und da – mir gegenüber – ist meine große Hoffnung: GOTT. Aus seiner Hand erwarte ich meine Ergänzung; das, was mir fehlt im Leben.
Diese Haltung steckt im Vaterunser und hinter ihm. Das haben die Menschen immer gespürt.
Aber nun fehlt noch etwas. Das Vaterunser endet mit der 7.Bitte: und erlöse uns von dem Bösen. Punkt.Aus.Amen. So wurde es ja auch gebetet,- zumindest in den kath.Kirchen.
Aber schon in ganz früher Zeit hat man gemerkt, dass die Bitte nicht alles sein kann. Deshalb steht schon in den späten Handschriften des NT`s der Zusatz:“ Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. In Ewigkeit.Amen“
Das ist DANK und LOBPREIS und FREUDE.
Wenn ich alles von Gott erwarten kann und darf, dann kann ich auch froh und dankbar sein, dass es so ist.
Normalerweise assoziieren wir mit Bedürftigkeit und Bitten ja eine finstere oder säuerliche Seelenlage. Hier ist es jetzt umgekehrt. Dass ich bedürftig bin und Gott bitten kann, macht mich froh und dankbar. Es befreit mich – von mir selber. I c h muß mein Leben nicht vollenden, nicht bewerkstelligen. Es ist gut, wenn ich etwas leiste, aber Leistung ist nicht alles. Genau besehen macht mich Leistung nicht froh. Was ich verdient habe, ist ein Recht. Froh aber macht mich das, was ich unverdient geschenkt bekomme.
Das merken wir ganz banal schon im Alltag. Wenn ich bezahle, erwarte ich Leistung. Dann berechne und beurteile ich, bin zufrieden oder unzufrieden. Wenn ich aber etwas geschenkt bekomme – eine Blume oder eine Vorspeise oder einen Tee im Restaurant – hebt sich meine Stimmung, vorausgesetzt ich entdecke die Freundlichkeit darin d.h. es sind keine fremden Absichten beigemischt. Ich sage dann: das ist aber nett – und freue mich.
Deshalb endet auch das Vaterunser mit d i e s e r Seelenhaltung: ich bin dankbar und freue mich, dass Gott meine Bitten erfüllt, dass er mich beschenkt.
Diese Erfüllung oder das Geschenk ist nicht immer so, wie ich es mir vorstelle: es ist besser.Besser für mich. Jemand hat gesagt: Das Schlimmste für mich wäre, wenn alle m e i n e Bitten in Erfüllung gehen würden.
Das Vaterunser formuliert ja nun auch nicht konkrete Bitten, sondern es umreißt in Form von Bitten die menschliche Grundsituation. Wie diese erfüllt wird, das ist eine andere Frage und bedarf unserer vollen Aufmerksamkeit für die Geschicke des Lebens, in denen sich Erfüllung zeigt. Vieles ernten wir so, wie wir es gesät haben. Das vergessen viele Menschen. Sie empfinden das Leben oft wie eine Bestrafung. Warum passiert gerade mir das – ist eine häufige Frage. Sie vergessen nach ihrer eigenen Verantwortlichkeit zu suchen. Sie haben es eben durch ihre Eigenwilligkeit so eingerichtet, sie haben so gesät, wie sie ernten. Da ist nicht Gottes Hand im Spiel – oder nur sehr mittelbar als dezenter Hinweis auf falsche Orientierung, wenn wir zu lesen verstehen.
Manchmal aber fällt uns ein Glück, eine Erfüllung zu – und wir wissen nicht, womit wir es verdient haben. Das ist Gottes Hand, die unsere offene Haltung erfüllt. Die Haltung, die das Vaterunser voraussetzt. Dann sind wir dankbar und freuen uns. Gott sei Dank –sagen wir.
Im Vaterunser heißt der Lobpreis: Dein ist REICH, KRAFT, HERRLICHKEIT – und das in alle Ewigkeit, von überzeitlicher Dauer.
Reich, Kraft und Herrlichkeit,- das sind alles Synonyme für Gott.
Gottes Reich, das ist Gott in räumlicher Dimension gedacht. Eigentlich ist Gottes Reich kein Ort. Es ist eine Dimension in allem, was ist. Es ist nicht von dieser Welt, sondern anders. Aber alles von dieser Welt führt uns dahin, wenn wir es richtig gebrauchen und deuten
Gottes Kraft ist Gott in energetischer Dimension. Diese Kraft ist nicht einfach Macht. Sie kann sich auch in Ohnmacht zeigen. Sie benutzt alles, um das Ganze zu einem guten Ziel zu führen. Darin ist sie Kraft.
Und Gottes Herrlichkeit ist Gott in ästhetischer Dimension. Gott ist schön und Gott macht schön. Wenn die Menschen Gott wirken lassen, wird alles schön: die Welt, die Natur, die Menschen, die Seele – alles wird schön, weil Gott schön ist. Kosmetik kommt von Kosmos – und d.h. Ordnung, schöne, natürliche Ordnung. Wir wollen auch etwas schön machen und treiben Kosmetik – aber oft verkehren wir damit nur das wahre Gesicht des Menschen und der Natur. Gottes Kosmetik bringt das wahre Gesicht ans Licht – und es ist schön, wie er selber schön ist.
So endet das Vaterunser mit einer kleinen Gotteslehre, wie es damit anfängt, wenn es ihn als Vater, Abba, anruft.
Dieser Abba-Vater ist ein Reich anderer Art. Er ist Kraft, die auch die Ohnmacht noch einbezieht, sie sich zunutze macht und so kräftigt, und er ist Herrlichkeit, die reine Schönheit in Ewigkeit.
Das alles ist es ja, um das wir gebeten haben: dass Gottes Reich sich erfülle, dass unsere Ohnmacht sich kräftige und das alles,was ist, schön und wahr sei. Das Vaterunser endet also mit einem Lobpreis, weil alles gut eingerichtet ist, so wie es ist. Wir sind als Bittende auf Gott ausgerichtet - und Gott erfüllt, weil er alles ganz und schön macht.
Wenn wir Menschen uns zwischen diese gute Beziehung stellen, wenn wir alles selbst in die Hand nehmen, wird alles schief und falsch.
Damit das nicht geschieht, beten wir das Vaterunser. Jeden Sonntag – und auch sonst.
AMEN

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