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Dienstag, 28. Oktober 2008

PREDIGT zum ERNTEDANKFEST in BELEK am 23.10.08 über Matth. 7,17

So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte

Liebe Gemeinde,
das klingt wie eine Banalität und es ist auch eine: ein guter Baum bringt gute Früchte und ein schlechter schlechte. Nur: Was ist ein guter Baum? Was macht ihn zu einem guten? Wie wird man zu einem guten Baum, denn um die guten Früchte geht es uns ja allen? Die ganze Bergpredigt Jesu ist ein Versuch, auf diese Frage zu antworten und einer solchen Antwort wenden wir uns auch heute zu.
Wir haben uns hier in Belek versammelt, um unser Erntedankfest zu feiern. Zugleich haben wir das Ehepaar Schmidt aus Deutschland unter uns, das seine Silberhochzeit heute feiert. Nach 25 Jahren Ehe kann man wohl innehalten, einmal zurückschauen und auch vorausschauen und sich nach dem Ertrag der Jahre und der Ernte des gemeinsamen Lebens fragen und dankbar sein, dass es das alles gibt.
Normalerweise fragen wir aber am Erntedankfest nach dem, wovon wir leben. Was nährt uns? Was brauchen wir zum Leben? Woher kommt es? Wer gibt es uns? Was verdanken wir der Erde, der Natur?
Dann fragen wir aber auch weiter, weil wir als Menschen ja nicht nur Bauch sind: Wovon leben wir? Was verdanken wir Gott?
Wir teilen gerne ein und auf. Die Erde – das ist Leib und Körper. Die Früchte der Erde nähren und füllen den Bauch. Gott aber nährt die Seele oder das Herz. Erst so ernährt lebt der Mensch wirklich und ganz, ganzheitlich wie man heute gerne sagt.
Ich möchte die „Botschaft der Erde oder der Natur“ heute einmal weiter fassen. Auch die Erde nährt nicht nur den Körper. Sie berührt auch die Seele. Auch sie spricht zum Herzen, und jeder spürt das, wenn er nur mit wachen Augen in die Welt schaut.
Auf unserem Liedzettel ist ein Baum abgebildet. Was sagt uns so ein Baum? Mit den Augen sehen wir einen kräftigen Stamm, der sich nach oben streckt und der eine Krone entfaltet, die voller Früchte hängt. Dieser Baum trägt gute Früchte. Soweit sehen die Augen!
Aber woraus lebt der Baum?: Aus seinem Wurzelwerk – wissen wir – und das sehen unsere Augen eben nicht. Wir wissen nur, dass es das gibt. Das Unsichtbare ist also das Lebensnotwendige. Es ist die Basis des Lebens, der Ur-Grund.
Alles Unsichtbare am Baum aber entspricht nun exact dem Sichtbaren. Stellen wir uns eine große Eiche vor, die mit ihrer gewaltigen Krone ein ganzes Universum ist. Ebenso groß wie die mächtige Krone ist das Wurzelwerk in der Tiefe. Wir sehen es nicht, es ist unbedeutend für uns, es kann unsichtbar bleiben – und doch lebt der Baum gerade aus diesem Unsichtbaren.
Sie ahnen vielleicht schon, worauf ich hinaus will. Was ist unser Wurzelwerk? Was ist unser Unsichtbares, aus dem wir leben?
Zunächst noch ein zweites Beispiel:
Am letzten Wochenende war ich in Kappadokien. Das Besondere dort ist ja nicht nur die bizarre und ungewöhnliche Landschaft, sondern die Tatsache, dass diese ungewöhnliche Landschaft ein Innenleben hat. Ganze unterirdische Städte und Häuser sind da und viele unterirdische, ausgehöhlte Kirchen. Manche von ihnen sind heute noch ausgemalt wie buntglitzernde Juwelen. Von außen sieht man nur ockerfarbenen Tuffstein. Aber innen – im Unsichtbaren – ist alles bunt, geformt und gestaltet auf vielfältige Weise. Welch ein Mysterium liegt da in der unsichtbaren Tiefe und was für ein Symbol ist das für den Menschen?! Ähnlich werden wir es gleich erleben, wenn wir in die Tropfsteinhöhle fahren. Von außen nur irgendein Berg, von Innen eine andere Welt. Was lebt aus dem Unsichtbaren? Wie macht genau das Verborgene das Leben erst wirklich reich und bunt?
Die Menschen haben immer geahnt, dass auch sie aus einem verborgenen Wurzelwerk leben. Sie haben dieses Wurzelwerk „Atem“ oder „Odem Gottes“ oder „Seele“ genannt. Nur manche Menschen haben dieses Wissen heute vergessen. Sie leben nur noch von der Oberfläche her und werden leicht oberflächlich statt ihre wahre Tiefe zu entdecken.
Mit einem 3. Beispiel kann ich noch einmal die Grundwahrheit verdeutlichen:
Das 1. Wort der Bibel heißt in der hebräischen Ursprache „be`reschit“, im Anfang. Der 1. Buchstabe in der Bibel ist also der 2. des Alphabets und nicht etwa der 1., das Aleph. Daran haben die jüdischen Theologen tiefsinnige Spekulationen geknüpft. Alles, was geschaffen ist, lässt sich in Worte, in Buchstaben fassen, aber allem geht etwas voraus, das Aleph, das erste, unsichtbar und unhörbar. Aber es ist da und alles lebt aus ihm, auch wenn es selbst geheimnisvoll verborgen ist und nicht völlig einzufangen ist in dem, was an der Oberfläche lebt.
Das also sollen wir am Erntedankfest wissen dürfen: Wir haben eine schöne Welt. Wir leben von ihr und wir sind ein Teil von ihr. Aber das ist nicht alles. Alles kommt aus etwas Größerem, dem wir alles verdanken. Auch dem geben wir einen Namen. Wir nennen es Gott, Vater/Mutter, Schöpfer, Weltseele und wissen dennoch: es ist unsichtbar, unnennbar,- aber es ist da.
Wenn wir aus diesem Gespür ein Lebensgefühl entwickeln, stellt es sich als Dankbarkeit ein. Ich verdanke mich dem Unsichtbaren, wie der Baum sich seinem Wurzelwerk in der Erde verdankt. Und das Unsichtbare ist reich und schön, wie eine Höhle von innen.
Das ist auch eine Botschaft für unser Jubelpaar. Wenn eine Beziehung so lange Jahre glückt, ist das nicht nur unser Verdienst, es kommt nicht nur aus unserer Anstrengung. Es kommt aus einer unsichtbaren aber spürbaren Kraft. Es ist ein Glück, ein Geschenk. Es kommt aus einer Quelle, die woanders ihren Ursprung hat.
Zur Erinnerung an diese Grundwahrheit unseres Lebens – und sie gilt für ein jedes Leben – möchte ich Ihnen eine Karte schenken, die einen großen Baum zeigt. Aber dieser Baum zeigt sein Wurzelwerk wie ein Spiegelbild seiner Krone. So wie dieser Baum ist, so sind wir Menschen auch. Menschen mit Leib und Seele. Sichtbares und unsichtbar Verborgenes ist in einem Leib verbunden. Beides macht erst den ganzen Menschen.
Auf unser unsichtbares Wurzelwerk sollen wir aufmerksam werden. Wir leben aus dem Unsichtbaren, das uns vorausgeht. Es entfaltet in uns seine ganze Kraft und wir dürfen dankbar sein, dass wir aus dieser Kraft alle Tage neu leben können.
AMEN

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