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Dienstag, 25. März 2014

Predigt im Gottesdienst in Alanya am 19. 1. 2014


Wie stellen Sie sich das Paradies vor, liebe Gemeine? Oder – um es mit den Worten des Glaubensbekenntnisses zu sagen – das ewige Leben? Das ist keine ganz leichte Frage. Aber die biblischen Texte des heutigen Sonntags lenken uns in diese Richtung. Schon im Psalmgebet hieß es: Gott gedenkt ewiglich an seinen Bund. Und dann haben wir jetzt die Geschichte von der Hochzeit in Kana gehört. Jesus hilft Menschen zu größerer Lebensfreude. Wein, ganz hervorragender Wein im Überfluss. Johannes spricht von einem Zeichen, das Jesus tut und stellt es ziemlich an den Anfang seines Evangeliums. Hier kommt einer, von dem könnt ihr Großes erwarten, soll das heißen. Ausdrücklich formuliert wird das ganz am Schluss: Er offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.

Mit Jesus kommt also ein Stück von Gottes Herrlichkeit in diese Welt. Da blitzt vom Paradies etwas auf – auch wenn man das nicht festhalten kann, auch wenn es sich nur dem Glaubenden erschließt.

In und um Jesus ein Stück Himmel auf Erden. Was da in Kana passierte,  ist sicher nur ein Vorgeschmack, aber der ist schon eine ganze Menge. Nicht nur für Johannes gut geeignet, um müde Hände und wankende Knie stärker zu machen. Und so ein Vorgeschmack weckt die Lust auf mehr. Wenn wir heute versuchen, uns dem Thema ewiges Leben zu nähern, Gottes Reich, Gottes Gegenwart, dann nehmen wir jetzt als erstes Schlüsselwort die „Herrlichkeit“ mit.

Der heutige Predigttext aus dem Hebräerbrief hat ebenfalls etwas beizutragen. Bevor ich ihn aber vorlese, will ich eine Erinnerung aus meiner Schulzeit vorausschicken. Ich musste damals kurz vor dem Abitur ein Referat über die „Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri halten, eins der größten Werke der italienischen Literatur. Der Dichter Dante beschreibt darin in hundert Gesängen eine Reise erst durch die Hölle, dann durchs Fegefeuer und schließlich durch den Himmel – die drei Teile des damaligen Weltbilds. Das Ganze ist schwere Kost, gegen Ende des Mittelalters geschrieben. Heute haben wir andere Erwartungen an Literatur. Aber eins ist ganz deutlich: Die 33 Gesänge über die Hölle sind viel anschaulicher zu lesen als dann der Teil über den Himmel. Bei der Hölle ist es interessant, wen Dante da alles hineinsetzt – viele historische Persönlichkeiten, natürlich auch seine persönlichen Feinde. Und je nach Missetat bekommen sie ihre Strafen, bis hin zum Einfrieren im eisigen Meer. Das wird alles schön plastisch beschrieben. Je tiefer es in die Hölle hineingeht, um so drastischer wird es.

Im Himmel fällt es ihm deutlich schwerer. Schon am Anfang ist es natürlich herrlich, und wie steigert man dann Herrlichkeit? Aus Weiß kann blütenweiß und reinweiß werden: Irgendwann kommt ein Sättigungspunkt. Die sieben Tugenden spielen eine Rolle in Dantes Himmel – Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung, von denen schon die Antike wusste, dazu Glaube, Hoffnung, Liebe als die christlichen Tugenden. Aber auch die kann man nicht immer wieder steigern und überhöhen. In unserem Gesangbuch heißt es an einer Stelle: Da sing ich dir im höhern Chor viel  tausend Halleluja vor. Was kommt nach dem Halleluja?

Unsere Vorstellungskraft kommt hier an Grenzen. Dazu  kann einem Karl Valentins Münchner im Himmel einfallen: Der Dienstmann vom Münchner Hauptbahnhof, den Petrus zum Frohlocken und Hosianna-Singen einteilt - irgendwann ist er dessen überdrüssig und wird wieder zurück auf die Erde geschickt. Ja, es ist schwierig, vom Himmel zu reden, weil uns nur menschliche Worte, menschliche Bilder zur Verfügung stehen. Daran ändern auch all die Witze nichts, bei denen dieser und jener zu Petrus an die Himmelspforte kommt. Die verlängern immer nur unser Denken in den Himmel hinein. Wenn´s umgekehrt wäre, hätten wir´s leichter: Wenn einer käme und aus dem Himmel, aus dem Paradies berichtete. Aber an der Stelle lässt Gott sich nicht in die Karten schauen. Immerhin gibt er uns in der Bibel aber ein paar Hinweise, und einen davon haben wir im heutigen Predigttext.

Der Hebräerbrief richtet sich an Christen etwa der zweiten Generation, an Menschen, deren Glaube vom Verschleiß bedroht ist. Deshalb fängt unser Abschnitt auch an:

„Stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und macht sichere Schritte mit euren Füßen, damit nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde.“ Dieser Brief will seine Leser auf eine höhere Ebene mitnehmen – ein gutes Ziel. Dem können wir Heutigen uns, glaube ich, gut anschließen. Müdigkeit und Verschleiß kennen wir auch.  

Aber nun zu dem Hoffnungszeichen, zu dem Himmelsbild, das der Predigttext uns anbietet:

Ihr seid nicht gekommen zu dem Berg, den man anrühren konnte und der mit Feuer brannte, und nicht in Dunkelheit und Finsternis und Ungewitter (Das spielt auf den Berg Horeb an, den Mose bestieg, um die 10 Gebote zu empfangen.)

Sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln und zu der Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus.“ Am Schluss des Kapitels fügt der Autor dann noch hinzu: „Wir empfangen ein unerschütterliches Reich.“

 

Mir gefällt an dieser Stelle, dass sie auf Ausmalungen verzichtet. Okay, da ist vom himmlischen Jerusalem die Rede, und von den vielen tausend Engeln. Aber wie man sich das dann vorstellt, das bleibt jedem selbst überlassen. Dass dieses himmlische Jerusalem aber mit Gewissheit in den Blick genommen werden kann, das steht in diesem Abschnitt unverrückbar fest. Und nach der Herrlichkeit, die Jeus in Kana aufblitzen ließ,  stoßen wir auf zwei weitere Schlüsselworte: Gott  wird sich zeigen als der Richter aller. Und zu ihm und neben ihn gehört Jesus als Mittler eines neuen Bundes.

Gott als Richter – um diesen Gedanken ist es unter uns merkwürdig bestellt. Einerseits denken wir: Jeder bekommt am Ende, was er verdient. Es gibt jede Menge Witze, in denen das zum Ausdruck kommt. Eine Konfirmandin wollte mal meinen Humor testen und erzählte mir folgenden: Im Himmel bekommt jeder ein Fahrzeug zugeteilt – daran kann man sehen, was für ein Mensch das war. Und da kommt also einer in den Himmel und kriegt einen klapprigen Golf. Na gut, denkt er, vielleicht ist das hier so. Aber dann sieht er seinen Nachbarn mit einem Rolls Royce, und weil er seinen Nachbarn kannte, wundert er sich. Der sieht seinen erstaunten Blick und sagt: Ach, gib dich zufrieden. Vorhin habe ich Pastor Voges auf einem Dreirad gesehen. Darüber kann man nun lachen oder nicht. Bei diesem Witz und bei vielen anderen ist jedenfalls dDer Grundgedanke: Es geht nach Verdienst.

Das aber beißt sich mit der anderen Denkrichtung, die da sagt: Im Himmel sehen wir uns doch alle wieder. Gott ist Liebe, Gott vergibt Sünden. Der wird einen Platz für jeden haben. Sagt nicht Jesus: In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen? Das ist ein attraktiver Gedanke. Aber als wir das letztes Jahr mit einer Gruppe von Jugendlichen diskutierten, fragte einer ganz trocken: Und was ist mit Hitler? Es kann doch nicht sein, dass auch große Scheußlichkeiten gar keinen Unterschied machen.

 

Zumindest auf den ersten Blick ein Widerspruch, lb. Gem. Aber lassen Sie mich daran erinnern: Es ist der lebendige Gott der auf uns wartet, in der Stadt des himmlischen Jerusalem. Richter ist er schon, aber wahrscheinlich doch anders als wir das gewohnt sind. Ein Kollege erzählte mal, wie er bei einer Wattwanderung vor Cuxhaven in ein plötzlich aufziehendes Gewitter geriet. Da bestand wirklich Lebensgefahr. Er hatte Todesangst, und er sagte: Da sah ich plötzlich wie in einem Film mein ganzes Leben an mir vorüberziehen. Es war, als müsste ich in einen Spiegel sehen. Könnte es nicht sein, dass Gott als unser Richter uns den Spiegel hinhält? Dann werden wir uns für das eine oder andere sicher schämen. Aber an unserem Glauben, an der Beziehung zu Gott muss das nicht rütteln. Es mag wohl auch Menschen geben, die haben sich ganz weit von ihm abgewandt – die haben sich ihr Urteil dann selbst gesprochen. Denen bleibt die ewige Stadt verwehrt, weil sie da nicht hineinwollen. Wer mag, kann das Hölle nennen. Aber es ist wohl bei Gott eher eine Be- als eine Verurteilung. Und es ist ganz sicher kein Urteil nach Strichliste: So viele Plus-, so viele Minuspunkte. Das wäre des lebendigen Gottes nicht würdig. Dann hätte er sich die Mühe mit Jesus Christus, dem Mittler, gar nicht zu machen brauchen.

Den hat er ja zu uns Menschen geschickt, um den Abstand zu überbrücken. Das Wort Mittler wird gar nicht so häufig gebraucht, um die Mission Jesu zu beschreiben. Ich finde, es passt richtig gut. Wir hätten sonst ein Bild, wie es in vielen Religionen der Fall ist: Da oben der große Gott – hier unten wir kleinen Menschen. Das ist nicht wirklich falsch – wir sind kleine Menschen. Aber wir haben zu Gott diese besondere Verbindung. Seit Jesus, durch Jesus wissen wir: Gott gehört auch auf unsere Ebene. Ist auch mir zur Seite, still und unerkannt, dass er treu mich leite an der lieben Hand, so haben wir es gerade wieder zu Weihnachten gesungen.

Deshalb fängt der Weg ins Paradies auch hier schon an – siehe die Hochzeit zu Kana. Und was damals geschah, kann auch heute geschehen. Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan. Das Paradies beginnt in unseren Werken der Barmherzigkeit. Das Paradies beginnt aber auch in unserem Lachen und Fröhlichsein, wenn wir uns selbst vergessen und für einen Moment werden wie die Kinder – kindlich, freilich nicht kindisch. Da blitzt etwas von dem auf, was dann größer und herrlicher auf uns zukommt, wenn wir – um es nochmal mit dem Predigttext zu sagen – Anschluss gewinnen an die Gemeinde der Erstgeborenen. Amen

 

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