Wie
stellen Sie sich das Paradies vor, liebe Gemeine? Oder – um es mit den Worten
des Glaubensbekenntnisses zu sagen – das ewige Leben? Das ist keine ganz
leichte Frage. Aber die biblischen Texte des heutigen Sonntags lenken uns in
diese Richtung. Schon im Psalmgebet hieß es: Gott gedenkt ewiglich an seinen Bund. Und dann haben wir jetzt die Geschichte
von der Hochzeit in Kana gehört. Jesus hilft Menschen zu größerer Lebensfreude.
Wein, ganz hervorragender Wein im Überfluss. Johannes spricht von einem Zeichen,
das Jesus tut und stellt es ziemlich an den Anfang seines Evangeliums. Hier
kommt einer, von dem könnt ihr Großes erwarten, soll das heißen. Ausdrücklich
formuliert wird das ganz am Schluss: Er offenbarte seine Herrlichkeit, und
seine Jünger glaubten an ihn.
Mit
Jesus kommt also ein Stück von Gottes Herrlichkeit in diese Welt. Da blitzt vom
Paradies etwas auf – auch wenn man das nicht festhalten kann, auch wenn es sich
nur dem Glaubenden erschließt.
In
und um Jesus ein Stück Himmel auf Erden. Was da in Kana passierte, ist sicher nur ein Vorgeschmack, aber der ist
schon eine ganze Menge. Nicht nur für Johannes gut geeignet, um müde Hände und
wankende Knie stärker zu machen. Und so ein Vorgeschmack weckt die Lust auf
mehr. Wenn wir heute versuchen, uns dem Thema ewiges Leben zu nähern, Gottes
Reich, Gottes Gegenwart, dann nehmen wir jetzt als erstes Schlüsselwort die
„Herrlichkeit“ mit.
Der
heutige Predigttext aus dem Hebräerbrief hat ebenfalls etwas beizutragen. Bevor
ich ihn aber vorlese, will ich eine Erinnerung aus meiner Schulzeit
vorausschicken. Ich musste damals kurz vor dem Abitur ein Referat über die
„Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri halten, eins der größten Werke der
italienischen Literatur. Der Dichter Dante beschreibt darin in hundert Gesängen
eine Reise erst durch die Hölle, dann durchs Fegefeuer und schließlich durch
den Himmel – die drei Teile des damaligen Weltbilds. Das Ganze ist schwere
Kost, gegen Ende des Mittelalters geschrieben. Heute haben wir andere
Erwartungen an Literatur. Aber eins ist ganz deutlich: Die 33 Gesänge über die
Hölle sind viel anschaulicher zu lesen als dann der Teil über den Himmel. Bei
der Hölle ist es interessant, wen Dante da alles hineinsetzt – viele historische
Persönlichkeiten, natürlich auch seine persönlichen Feinde. Und je nach
Missetat bekommen sie ihre Strafen, bis hin zum Einfrieren im eisigen Meer. Das
wird alles schön plastisch beschrieben. Je tiefer es in die Hölle hineingeht,
um so drastischer wird es.
Im
Himmel fällt es ihm deutlich schwerer. Schon am Anfang ist es natürlich
herrlich, und wie steigert man dann Herrlichkeit? Aus Weiß kann blütenweiß und
reinweiß werden: Irgendwann kommt ein Sättigungspunkt. Die sieben Tugenden
spielen eine Rolle in Dantes Himmel – Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und
Mäßigung, von denen schon die Antike wusste, dazu Glaube, Hoffnung, Liebe als
die christlichen Tugenden. Aber auch die kann man nicht immer wieder steigern
und überhöhen. In unserem Gesangbuch heißt es an einer Stelle: Da sing ich dir
im höhern Chor viel tausend Halleluja vor.
Was kommt nach dem Halleluja?
Unsere
Vorstellungskraft kommt hier an Grenzen. Dazu kann einem Karl Valentins Münchner im Himmel
einfallen: Der Dienstmann vom Münchner Hauptbahnhof, den Petrus zum Frohlocken
und Hosianna-Singen einteilt - irgendwann ist er dessen überdrüssig und wird
wieder zurück auf die Erde geschickt. Ja, es ist schwierig, vom Himmel zu
reden, weil uns nur menschliche Worte, menschliche Bilder zur Verfügung stehen.
Daran ändern auch all die Witze nichts, bei denen dieser und jener zu Petrus an
die Himmelspforte kommt. Die verlängern immer nur unser Denken in den Himmel
hinein. Wenn´s umgekehrt wäre, hätten wir´s leichter: Wenn einer käme und aus
dem Himmel, aus dem Paradies berichtete. Aber an der Stelle lässt Gott sich
nicht in die Karten schauen. Immerhin gibt er uns in der Bibel aber ein paar
Hinweise, und einen davon haben wir im heutigen Predigttext.
Der
Hebräerbrief richtet sich an Christen etwa der zweiten Generation, an Menschen,
deren Glaube vom Verschleiß bedroht ist. Deshalb fängt unser Abschnitt auch an:
„Stärkt
die müden Hände und die wankenden Knie und
macht sichere Schritte mit euren Füßen, damit nicht jemand strauchle wie ein
Lahmer, sondern vielmehr gesund werde.“ Dieser Brief will seine Leser auf eine höhere Ebene
mitnehmen – ein gutes Ziel. Dem können wir Heutigen uns, glaube ich, gut
anschließen. Müdigkeit und Verschleiß kennen wir auch.
Aber
nun zu dem Hoffnungszeichen, zu dem Himmelsbild, das der Predigttext uns
anbietet:
Ihr
seid nicht gekommen zu dem Berg, den man anrühren konnte und der mit Feuer
brannte, und nicht in Dunkelheit und Finsternis und Ungewitter (Das spielt auf den Berg Horeb an,
den Mose bestieg, um die 10 Gebote zu empfangen.)
Sondern ihr seid gekommen zu dem Berg
Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu
den vielen tausend Engeln und zu der Versammlung und
Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind,
und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten
Gerechten und zu dem Mittler des neuen
Bundes, Jesus.“ Am Schluss des Kapitels fügt der Autor dann noch hinzu: „Wir
empfangen ein unerschütterliches Reich.“
Mir
gefällt an dieser Stelle, dass sie auf Ausmalungen verzichtet. Okay, da ist vom
himmlischen Jerusalem die Rede, und von den vielen tausend Engeln. Aber wie man
sich das dann vorstellt, das bleibt jedem selbst überlassen. Dass dieses
himmlische Jerusalem aber mit Gewissheit in den Blick genommen werden kann, das
steht in diesem Abschnitt unverrückbar fest. Und nach der Herrlichkeit, die
Jeus in Kana aufblitzen ließ, stoßen wir
auf zwei weitere Schlüsselworte: Gott wird sich zeigen als der Richter aller. Und zu
ihm und neben ihn gehört Jesus als Mittler eines neuen Bundes.
Gott als Richter – um diesen Gedanken
ist es unter uns merkwürdig bestellt. Einerseits denken wir: Jeder bekommt am
Ende, was er verdient. Es gibt jede Menge Witze, in denen das zum Ausdruck
kommt. Eine Konfirmandin wollte mal meinen Humor testen und erzählte mir
folgenden: Im Himmel bekommt jeder ein Fahrzeug zugeteilt – daran kann man
sehen, was für ein Mensch das war. Und da kommt also einer in den Himmel und
kriegt einen klapprigen Golf. Na gut, denkt er, vielleicht ist das hier so.
Aber dann sieht er seinen Nachbarn mit einem Rolls Royce, und weil er seinen
Nachbarn kannte, wundert er sich. Der sieht seinen erstaunten Blick und sagt:
Ach, gib dich zufrieden. Vorhin habe ich Pastor Voges auf einem Dreirad
gesehen. Darüber kann man nun lachen oder nicht. Bei diesem Witz und bei vielen
anderen ist jedenfalls dDer Grundgedanke: Es geht nach Verdienst.
Das aber beißt sich mit der anderen
Denkrichtung, die da sagt: Im Himmel sehen wir uns doch alle wieder. Gott ist
Liebe, Gott vergibt Sünden. Der wird einen Platz für jeden haben. Sagt nicht
Jesus: In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen? Das ist ein attraktiver
Gedanke. Aber als wir das letztes Jahr mit einer Gruppe von Jugendlichen
diskutierten, fragte einer ganz trocken: Und was ist mit Hitler? Es kann doch
nicht sein, dass auch große Scheußlichkeiten gar keinen Unterschied machen.
Zumindest auf den ersten Blick ein
Widerspruch, lb. Gem. Aber lassen Sie mich daran erinnern: Es ist der lebendige
Gott der auf uns wartet, in der Stadt des himmlischen Jerusalem. Richter ist er
schon, aber wahrscheinlich doch anders als wir das gewohnt sind. Ein Kollege
erzählte mal, wie er bei einer Wattwanderung vor Cuxhaven in ein plötzlich
aufziehendes Gewitter geriet. Da bestand wirklich Lebensgefahr. Er hatte
Todesangst, und er sagte: Da sah ich plötzlich wie in einem Film mein ganzes
Leben an mir vorüberziehen. Es war, als müsste ich in einen Spiegel sehen.
Könnte es nicht sein, dass Gott als unser Richter uns den Spiegel hinhält? Dann
werden wir uns für das eine oder andere sicher schämen. Aber an unserem
Glauben, an der Beziehung zu Gott muss das nicht rütteln. Es mag wohl auch
Menschen geben, die haben sich ganz weit von ihm abgewandt – die haben sich ihr
Urteil dann selbst gesprochen. Denen bleibt die ewige Stadt verwehrt, weil sie
da nicht hineinwollen. Wer mag, kann das Hölle nennen. Aber es ist wohl bei
Gott eher eine Be- als eine Verurteilung. Und es ist ganz sicher kein Urteil
nach Strichliste: So viele Plus-, so viele Minuspunkte. Das wäre des lebendigen
Gottes nicht würdig. Dann hätte er sich die Mühe mit Jesus Christus, dem
Mittler, gar nicht zu machen brauchen.
Den hat er ja zu uns Menschen
geschickt, um den Abstand zu überbrücken. Das Wort Mittler wird gar nicht so
häufig gebraucht, um die Mission Jesu zu beschreiben. Ich finde, es passt
richtig gut. Wir hätten sonst ein Bild, wie es in vielen Religionen der Fall
ist: Da oben der große Gott – hier unten wir kleinen Menschen. Das ist nicht
wirklich falsch – wir sind kleine Menschen. Aber wir haben zu Gott diese
besondere Verbindung. Seit Jesus, durch Jesus wissen wir: Gott gehört auch auf
unsere Ebene. Ist auch mir zur Seite, still und unerkannt, dass er treu mich
leite an der lieben Hand, so haben wir es gerade wieder zu Weihnachten gesungen.
Deshalb fängt der Weg ins Paradies
auch hier schon an – siehe die Hochzeit zu Kana. Und was damals geschah, kann
auch heute geschehen. Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern
und Schwestern, das habt ihr mir getan. Das Paradies beginnt in unseren Werken
der Barmherzigkeit. Das Paradies beginnt aber auch in unserem Lachen und
Fröhlichsein, wenn wir uns selbst vergessen und für einen Moment werden wie die
Kinder – kindlich, freilich nicht kindisch. Da blitzt etwas von dem auf, was dann
größer und herrlicher auf uns zukommt, wenn wir – um es nochmal mit dem
Predigttext zu sagen – Anschluss gewinnen an die Gemeinde der Erstgeborenen.
Amen
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