Logo

Logo

Montag, 21. Juli 2008

NOSTALGIE - für den, der viel Zeit hat

Liebe Freunde,
dank der Mithilfe von Anne Schaffrath, die alles abgetippt hat und mir zugemailt hat, kann ich die ersten drei Predigten in Alanya ins Netz stellen.
Sehr viel Text - zugegebenermaßen. Aber man kann ja auch auswählen.
Auch einzelne Blogs oder frühere Texte lassen sich über das Archiv - auf der rechten Seite (nach den Bildern) anwählen.
Herzliche Grüße
Rainer Wutzkowsky

1.Predigt von Pfarrer Rainer Wutzkowsky in Alanya am Sonntag Misericordias Domini, den 6.4.08 (Hirtensonntag)

Liebe Gemeinde.

Eigentlich müsste ich heute zwei Predigten halten, denn immer, wenn ich an diesen ersten Gottesdienst in Alanya gedacht habe, sind mir zwei Gedanken in den Sinn gekommen. Ich werde versuchen sie zu verbinden,- aber nicht an diesem Sonntag allein, sondern heute und am nächsten Sonntag.

Dieser 2. Sonntag nach Ostern trägt nach alter kirchlicher Tradition den schönen Namen „Hirtensonntag“ – und so sind auch alle Bibeltexte, die wir gehört haben: Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte..“ ,die 1. Lesung von Gott, dem guten Hirten und das Evangelium, in dem Jesus der gute Hirte ist, der seine Schafe gut kennt und sie ihn.

Hirte heißt auf lateinisch „Pastor“. Welcher Termin für die Begrüßung eines neuen Pastors könnte also besser sein, als dieser Sonntag vom guten Hirten?!

Wir denken dabei sofort an den Pastor und seine Schäfchen – die Gemeinde – wie man so schön sagt. Aber dieses Bild nimmt man nicht richtig ernst. Man spricht von ihm mit einem Augenzwinkern. Man kann es aber auch kritisch sehen. Die Schafe sind ja nicht gerade die klügsten Tiere – und sie sind auch ein wenig passiv, was eines macht, machen alle, Herdentiere eben. Wer möchte damit verglichen werden? Der Pastor aber ist im Bild der Leithammel, der verantwortliche Chef; der, der die Übersicht hat und der alles weiß und lenkt.

Ob dieses Bild gut ist für eine moderne Gemeinde im 21. Jahrhundert? So ist das doch glücklicherweise nicht mehr heute, dass einer alles sagt und angibt – und die anderen trotten blind hinterher – wie Schafe eben.

Das Bild hat aber noch andere Aspekte – und die sind leichter zu akzeptieren: Hirte und Herde gehören zusammen. Ein Pastor ohne Gemeinde ist kein Pastor und eine Gemeinde, ganz ohne Pastor, kommt auch nicht so gut zurecht. Ein Pastor wird erst zum Pastor durch die Gemeinde und eine Ansammlung von Menschen wird zur Gemeinde durch den Pastor. Beide gehören zusammen. Sie müssen in eine gemeinsame Richtung wollen, sonst geht es nicht gut – dann ist es keine Gemeinde, sondern nur ein Club, von denen es schon genug gibt.

Es gibt noch eine andere wichtige Aufgabe für Hirt und Herde. Auch wenn wir Menschen große Individualisten sind, vielleicht besonders, wenn man im Ausland lebt und nicht macht, was alle normalerweise machen, trotzdem sind wir doch auch Herdentiere. Das ist einfach so. Wir brauchen den anderen oder die anderen, und die anderen uns. Wir brauchen die Gemeinschaft, sonst werden wir einsam und unzufrieden.

Wenn nun einer abdriftet oder verloren geht oder sich selbst ins Abseits bringt, dann ist es die Aufgabe des Hirten, den Verlorenen oder Ausgeschlossenen zu suchen und wieder zu integrieren. Das ist nicht immer leicht. Wir wissen ja, wie bockig so mancher alter Hammel sein kann.

Trotzdem ist es wichtig, ihm nachzugehen. Er braucht die Gemeinschaft und die Gemeinschaft braucht ihn auch. Jeder und jede ist auf seine oder ihre Weise wichtig, weil jeder etwas anderes – nämlich sich selbst – einbringt.

Und noch etwas ganz anderes: Bei Hirte und Schafe denken wir immer an zwei verschiedene Wesen. Es können beide aber auch zwei verschiedene Anteile eines Wesens sein. Beide Charakterzüge finden sich in ein und demselben Menschen! Manchmal passiert es ja, das jemand einen Wesens- oder Charakterzug von sich, den er nicht mag, verdrängt oder unterdrückt, dass er ihn partout nicht sehen will – er lässt ihn praktisch „sich verlaufen“! Eine Wut z.B. oder ein Ärger oder eine alte Schmach oder Schande, einen Fehler oder Fehltritt. Man tut so als gäbe es das nicht! Man verliert dieses Schaf - diese Eigenart – aus dem Auge. Deshalb ist es aber nicht weg. Ganz im Gegenteil. Es schmerzt in der Tiefe oder es bereitet Magen- oder Kopfschmerzen, und wir wissen nicht, woher diese kommen. Eine Wut bricht so plötzlich hervor und keiner versteht, warum das ausgerechnet jetzt so kommt und woher es kommt.

Wir sollen auch gute Hirten für uns selber sein. Wir sollen uns selber immer besser kennen lernen und lernen, offen und ehrlich am rechten Platz und zur rechten Zeit zu sagen, was uns stört und ärgert, aber auch was uns freut, was wir gerne haben und was wir fördern möchten.

Wir sollen auch gut für unsere eigene Seele sorgen. Ich glaube, das hat der Fernsehpastor Fliege gemeint, wenn er immer am Ende seiner Sendung sagte: „Passen Sie gut auf sich auf!“ Gehe Dir nicht selber verloren bis du gar nicht mehr weißt, wer du wirklich bist.

Wenn wir gute Hirten für uns selber sind, achten wir auf unsere Seele. Dann kennen wir uns immer besser – die Charakterschafe innen - und verstehen auch andere besser. Wir haben mehr Verständnis für sie und sind in unserem Urteil barmherziger. Denn eigentlich sind die anderen nämlich gar nicht so anders als wir selbst es sind. Dann haben wir auch mehr Kraft, einem anderen, einem verlorenen Schaf aus unserer Mitte nachzugehen. Wir können besser verzeihen, Frieden schließen und neu anfangen.

Alles beginnt also bei uns: Seien wir uns selbst zuerst ein guter Hirte, achten wir auf unser Inneres, dann erst können wir auch gute Hirten für andere werden.

Ein Gedanke zum Schluss – vielleicht der wichtigste:

Die Bibel sagt ja: Gott ist der gute Hirte. Wenn das stimmt, was ich über Hirte und Herde in uns selber und zwischen uns gesagt habe, dann muss das auch für Gott, den guten Hirten, gelten.

Ja, Gott ist unendlich reich und vielfältig in sich selber. Das ist ein Unterschied zum Gottesverständnis der Moslems: Gott kennt alles Menschliche in sich selber, weil er Jesus in seinem Herzen trägt. Er versteht die Gefühle sehr gut. Und deshalb versteht er uns so gut mit unserem Kummer und unserer Freude, mit unserer Angst und unserem Freiheitswillen. Deshalb muss er manchmal streng mit uns sein, - aber er ist zugleich immer noch viel barmherziger, weil er weiß, wie schwer es ist, ein gutes Leben zu führen.

Er ist der gute Hirte. Er kennt die Seinen. Er will nicht ohne die Menschen sein – seine Herde – Und sie sind nicht viel ohne ihn. Ohne ihn gehen sie oft und meistens verloren – und niemand fragt nach ihnen wirklich mit Anteilnahme und von Herzen.

So hängt alles zusammen. Es ist ein großer Zusammenhang! Und ich fasse zusammen:

Gott ist der gute Hirte, der die Herde zusammenruft, damit jeder/jede lernt, eine guter Hirte für sich selbst und für andere zu werden.

Und wer andersherum anfängt, beim Menschen und nicht bei Gott, der kommt zum selben Ergebnis:

Wer wirklich gut auf sich aufpasst, wirklich auf sein Innerstes, seine Seele hört – und nicht nur egoistisch drauflos haut, der gewinnt auch die anderen Menschen lieb, versteht sie und geht ihnen nach und zusammen mit ihnen auf dem Weg. Und der wird dann zuletzt so auch den guten Gott und Hirten finden, der alles und alle in seinem Herzen trägt. AMEN

Am nächsten Sonntag möchte ich über den Raum hier unten nachdenken. Mein zweiter Gedanke (s.o.)

Heute ging es um die Menschen, die hier sind, dann in 8 Tagen um den Raum, und welchen Schatz wir vielleicht in diesem Keller, in diesem Acker hier, finden können.

Keine Kommentare: