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Dienstag, 28. Oktober 2008

Predigt über die 5.Seligpreisung

Predigt über die 5. Seligpreisung - Matth. 5,7

Liebe Gemeinde,
nicht nur im christlichen Glauben, sondern in vielen Religionen spielt die sog. „Goldene Regel“ eine große Rolle. Man hat sogar gesagt, dass sie so etwas wie die Grundregel der Ethik, des rechten Verhaltens für alle Menschen sein könnte.
Sie lautet in der Form eines bekannten Sprichworts so: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Man kann sie aber auch ins Positive wenden: Was du für dich selber wünschst, so tue auch dem anderen.
Wenn dies wirklich zum Maßstab nicht nur für unser Tun und Handeln, sondern schon für unser Denken würde – es würde die Welt revolutionieren. Was würde alles nicht getan werden und was würde stattdessen passieren?! Wenn jeder sein Leben nach dieser Regel überprüfte, würde er schnell merken, was falsch und was richtig läuft. Aber leider vergessen wir die Regel zu oft, auch wenn wir sie gut kennen.
Das Schema aber, nach dem sie gebaut ist – dass das, was nach außen geht, zu anderen hin geht, auch nach innen färbt und auf mich selbst zurückfällt – begegnet auch in der Bergpredigt.
In unserer heutigen 5. Seligpreisung sagt Jesus:
Glücklich sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen
Ist eine solche Haltung nicht ganz und gar weltfremd?! In der Kirche darf man wohl von Barmherzigkeit sprechen. Es ist quasi ein rein religiöses Wort. Welche Rolle spielt aber die Barmherzigkeit im wirklichen Leben?
Die Wirtschaft, das Bankwesen, das ganze oekonomische System ist doch nach knallharten Gesetzen konstruiert. Da läuft nichts mit Barmherzigkeit. Nur der Stärkste und Größte, der Mächtigste und Reichste überlebt.
So gnadenlos wie die Konkurrenz zwischen den Firmen ist, so gnadenlos gehen die Menschen auch miteinander in den Firmen um: nur die Ellenbogen zählen. Die Jüngsten, die Leistungsfähigsten, die noch gut Strapazierbaren zählen. Alt oder krank darf man nicht werden. Und auch eine Schwangerschaft kann Karrieren verhindern.
Viele meinen dazu bloß achselzuckend: Man muss eben Opfer bringen! Sich selbst abhärten, stark oder robust machen!
„Mitleid ist Schwäche“ – das haben die Nazis praktiziert. Auch wenn vieles Nazihafte heute Gott sei Dank verschwunden ist,- diese Haltung, dieser Satz von der Mitleidlosigkeit ist tief in die Seelen der Menschen gesunken. Alles Schwache gehört weg – und dieses Denken macht auch vor Kranken und Alten, vor Pflegebedürftigen nicht halt.
Auch wissenschaftlich wurde eine solche Einstellung zur Konkurrenz und Mitleidlosigkeit aufgewertet. Mit Darwin hat man von „Survival of the fittest“, Überleben des Stärksten allein gesprochen. So seien die biologischen Arten entstanden: nur die Stärksten überleben und die, die sich an eine solche Konkurrenzwelt gut anpassen. Diejenigen, die mitspielen, die am besten angepasst sind.
Man muss das nur einmal zu Ende denken, um zu merken, wie grauenhaft ein solches System ist. Irgendwo und irgendwann werden wir alle einmal Opfer, wenn wir uns auf diese Denkweise einlassen. Spätestens wenn wir nicht mehr können, wenn wir alt und unbrauchbar geworden sind, sind wir Opfer.
Angst davor haben alle – und viele treten unbarmherzig nach unten, nur um diese Angst nicht spüren zu müssen. Solange ich noch treten kann, bin ich noch nicht so weit.

Gegen eine solche Haltung setzt Jesus eine Gegenwelt.
Gott will keine Opfer. Fremdopfer nicht und auch keine Selbstbestrafung und keine Selbstzüchtung zum Höchsten und Besten. Gott will Barmherzigkeit, weil er selbst barmherzig ist.
Die griechischen Philosophen haben gelehrt, dass Gott nicht leiden kann, also auch nicht mitleiden kann. Doch, haben die Christen gesagt: er leidet mit, weil er liebt. Es ergreift ihn in den Eingeweiden. Das hebr. Wort für Barmherzigkeit hängt mit dem Wort für Gebärmutter zusammen. Barmherzigkeit ist also zuerst eine mütterliche, weibliche Eigenschaft. Jesus lehrt ein neues Gottesbild. Er sagt: Gott ist mütterlich barmherzig. Also auch Väter sollen die Kraft zu dieser Eigenschaft in sich entdecken und sie pflegen und zu Tage treten lassen.
An einer Stelle sagt Jesus sogar: Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist. Wer also barmherzig ist, der gewinnt Anteil an Gottes Wesen. Der ist im wahrsten Sinne des Wortes „wie Gott“.
Aber was bedeutet das nun, barmherzig zu sein? Bedeutet es, alles durchgehen zu lassen? Immer 5 gerade sein zu lassen? Über alles gnädig hinwegzusehen? Immer nachgeben oder zu allem schweigen?
Gewiss nicht!
Barmherzigkeit, Mitleid ist keine Schwäche, sondern echte Stärke. Der Barmherzige merkt, ob er eine wahre Not vor sich hat, oder ob da mit faulen Tricks nur eine Großzügigkeit herausgepresst werden soll. Barmherzigkeit macht nicht einfach im alten System mit und bestärkt es durch das Mäntelchen der Liebe womöglich noch. Sie setzt vielmehr eine neue, ganz andere Welt.
Auch Wissenschaftler haben erkannt, dass dieses „Survival of the fittest“, also der Egoismus des Stärksten und Besten, auch nicht der wahre Schlüssel zum biologischen Erfolg sein kann. Wo in einem Biologischen System Tiere zusammenwirken, wo das eine die Schwäche des anderen ausgleicht, statt sie auszunutzen, geht es im Ganzen viel besser voran. Genau das Gleiche gilt auch für die soziale Welt: für Schulklassen, wo die Starken den Schwächeren helfen, für Betriebe, wo durch Kooperation ein gutes Betriebsklima herrscht und auch für Gemeinden. Nicht die Konkurrenz macht das Ganze stark, sondern die Zusammenarbeit und das gute Aufeinander-Gestimmtsein.
Barmherzigkeit fördert das Leben. Mitleidlosigkeit beschädigt es. Unter dem Schild der Barmherzigkeit kann das Leben wachsen und stark werden. Von Grund auf stark sein, vom Wesen her und nicht nur als eine aufgeblasene Anstrengung.
Jesus lässt uns nicht ohne Beispiele. Er zeigt uns Übungsschritte zur Barmherzigkeit. Die Bibel ist voller Geschichten dieser Art.:
Der Weinbergbesitzer, der dem Armen für eine Stunde Arbeit den ausreichenden Lohn gibt, ist barmherzig und zugleich gerecht, weil er seinem eigenen Wesen so gerecht wird.
Der Vater, der seinen missratenen Sohn wieder aufnimmt und ihm ein neues Leben ermöglicht, ist barmherzig.
Jesus, der eine kranke Frau am Sabbat heilt, tut es aus Bauchgrimmen, aus Mitleid und Barmherzigkeit. Das ist stärker als alle Gesetzesvorschriften.
Der Samariter beugt sich aus reiner Barmherzigkeit – ohne Nebenabsichten – über seinen überfallenen Feind, den fremden Juden.
Alle diese Geschichten wollen uns locken, die Seite der Barmherzigkeit in uns zu entdecken, damit wir werden, wie Gott selbst ist: barmherzig.
Es lohnt sich für unser ganzes Leben. Wir gewinnen viel, wenn wir barmherzig sind.
AMEN

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