Logo

Logo

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Stichwort: Gastliche Gemeinde

Am Montag, den 27.10. trafen sich ca 30 Interessierte zu einem 1. Gemeindefrühstück.

Ein opulentes Frühstück war von einigen Damen und einem Herrn vorbereitet worden. Star des Frühstücks war ein selbstgebeizter Lachs. Vom Feinsten!
Allerdings: Warum kamen nun die Gäste? Wegen des Lachses? oder wegen des Beisammenseins und des Themas?
Wir wollen hoffen, dass beides zog.

"Missverständnisse zwischen Deutschen und Türken" - aufgrund verschiedener Denkweisen - lautete das Thema. In einigen " Miniaturen zum Frühstück" fasse ich etwas aus unserem Gespräch in Worte.

I
Eine ältere deutsche Touristin besteigt den Bus und bittet eine jüngere türkische Frau auf deutsch, ihr den Sitzplatz zu überlassen, da sie ein Hüftleiden habe. Die Türkin schüttelt den Kopf, weil sie das Deutsch nicht versteht und nicht weil sie ablehnt. Sie weiss nicht, was die Deutsche will. Bei Ablehnung würde sie den Kopf stolz in den Nacken werfen. Die Deutsche versteht nur die vermeintliche Ablehnung - und ereifert sich lautstark deutsch. Sie spricht kein türkisch. Gebärdensprache aber hat ihren je eigenen Code. Für Missverständnisse ist gesorgt.

II
Wer grüßt zuerst? Der Jüngere oder der Ältere? Der sozial Höhergestellte oder der Niedrigere?

Natürlich der Ältere und der sozial Höhergestellte. Er bestimmt, mit wem er Kontakt aufnehmen will.
Die deutsche Höflichkeit verlangt das Gegenteil.
Und: Natürlich grüßt kein Mann eine Frau und noch weniger eine Frau einen Mann. Ausnahmen bestätigen die Regel - und in touristischen Gebieten gibt es viele Ausnahmen.

III
Bei verbalen Beleidigungen wird der Beleidigte schnell handgreiflich, aber seine Freunde hindern ihn an der Ausführung. Sie fallen ihm in den Arm.
Deutsche halten sich raus oder bleiben bei Wortattacken.
Was aber, wenn niemand "das Ritual" versteht?
Dann werden Augen schnell blau.

IV
Wie geht man mit Brot um?
Man trägt es oberhalb der Gürtellinie und verschenkt Reste an Ärmere.
In den Abfall gehört es nicht!
In der Türkei noch lebendig - in Deutschland fast vergessen.

V
Wer ist reich? Wer ist arm?
Wenn jemand aus Deutschland herfliegt und Wochen oder Monate hier verbringt, ist er in den türkischen Augen reich, auch wenn er es sich aus kleiner Rente zusammenspart.
Hier wird manchmal 16 Stunden am Tag gearbeitet und das 7x die Woche - ohne Versicherung und doppelten Boden.
Wer ist arm? Wer ist reich?

VI
Wer legt den Verkaufspreis fest? Der Verkäufer oder der Käufer?
Der Käufer. Er sagt, was ihm der angebotene Gegenstand wert ist. Der Verkäufer reagiert.
Das Geschäft ist korrekt, wenn einer akzeptiert. Beschwerde zwecklos.

VII
Wird abgezockt?
Gewiss. Die türkische Gesellschaft wandelt sich rasant. Aber die Fremden, Touristen, Residenten sind ein entscheidender Faktor dieses Prozesses. Sie sind die Ursache für das, was sie beklagen.


Fast drei Stunden haben wir gefrühstückt und miteinander geredet.
Am Ende war das Buffet fast leer, aber der Themenzettel noch halbvoll.
Das schreit geradezu nach Wiederholung.

Allen Gestalterinnen und Gestaltern, allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön.
RAINER WUTZKOWSKY

Keine Kommentare: