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Mittwoch, 25. Juni 2008

Streiflichter einer Gemeindefahrt

Auf den Spuren des Apostels - Streiflichter einer Reise im Paulusjahr
19. Juni - 23.Juni

1. Tag Vom Meer durch den Taurus nach Pisidien.

Die Strasse steigt ein bizarres Tal hinauf. Das Meer im Rücken – es ist schnell vergessen.
Jetzt sind es Felsen, Kiefernwälder, Schluchten, ein aufgestauter See und wieder Felsen, die mit Spitzen in den Himmel stechen. Paulus und Barnabas werden Tage für die Strecke gebraucht haben, wir stöhnen bereits nach 6 Stunden Busfahrt. So pilgert man heute. Wir – das sind 30 Christenmenschen – mehr oder weniger – aus den Gemeinden Antalya und Alanya in der Südtürkei.
Wir erreichen Antiochien in Pisidien – am Königsweg gelegen, der bis nach Susa/Persien führt.
Veteranenstadt. Völkergemisch: Griechen, Juden,Römer. 10 000 sollen es gewesen sein. Nicht viele Einwohner verglichen mit Rom, Korinth, Ephesos.
Aber es hat sich gelohnt (vgl.Apg.13). Am Sabbat ist die Synagoge voll – und Paulus sagt: Ihr seid gerettet durch Gnade und nicht durchs Gesetz.
Das ist eine neue Sprache. Man merkt auf. Will mehr wissen.
Am nächsten Sabbat ist die Stadt zu Gast. Jesus Christus – sagt Paulus den Veteranen; nicht Augustus, meint er, dem sie hier einen gewaltigen Tempel gebaut haben, von dem noch Reste zu sehen sind.
Wenn die Juden nicht hören, dann hören die Heiden. Die Welt ist größer geworden – und die Menschen sind in Wirklichkeit ja eine Menschheit.
Am Ende verjagt man den Redner, verfolgt ihn sogar noch auf der Hochebene, treibt ihn voran.
Wir schleichen durch die Ruinen. Die Sonne brennt heiß. Paulus war wahrscheinlich im Herbst hier. Da ging es ihm wenigstens vom Wetter her besser. Und er hat eine wichtige Erfahrung in dieser Stadt gemacht, bei der er dann auch bleibt: Hören meine Leute nicht, hören andere.
Es geht weiter nach Iconium, Konya, der frommen Stadt des Mevlana, der auch den Wein besang in seinen Versen. Aber Bier gibt es nicht in dieser Stadt – und das, wo heute abend Deutschland im Europacup spielt!
Das große Touristenhotel schafft es tatsächlich, kein Geld am Alkohol zu verdienen. Die Deutschen tragen ihre Dosen verstohlen aufs Zimmer – und hoffen, dass Allah schläft.

Zweiter Tag : Von der Hochebene um Konya wieder ans Meer. Der Bucht entlang nach Antakya, . Antiochien am Orontes.

Der Bus hält nicht an. Lystra bleibt rechts liegen, und Derbe links. Es gibt dort nicht viel zu sehen. Einen Hügel vielleicht, unter dem Trümmer vermutet werden.
In Lystra hat Paulus einem Gelähmten aufgeholfen – ähnlich wie Jesus (Apg.14).
Als man Barnabas, den Schweiger, zu Zeus und ihn, Paulus, den Redner, zu Hermes, dem Dolmetscher und Götterboten machen will, sagt er schlicht: Wir sind Menschen. D.h. Vergöttert nicht!
Daraufhin versucht man ihn zu steinigen. Die Steine liegen auch noch unter dem Hügel – vermute ich.
Die Hochebene ist weit und öde. Man schätzt die Weiten nicht. Es braucht Stunden bis die Berge am Rand näher kommen. Der Bus düst, die Menschen dösen.
Paulus hat den gleichen Weg wieder zurückgenommen und ist per Schiff von Attalia nach Antiochien a.O. Wir nehmen den Landweg. Mit dem Bus durch die kilikische Pforte, neben der Bagdad-Bahn, ebenso steil hinab, wie am Tage zuvor hinauf.
Dann wieder Meer,- aber es braucht noch Stunden bis Antakya. Da kommt erst noch Issos, wo sich Alexander mit Dareios schlug. Ein Schlachtfeld – und bald darauf ein anderes, ein modernes: die Stahlwerke von Iscenderun, die ihre Dreckfahnen weit in den Himmel werfen, als müßte man ihn unbedingt schwärzen.
Endlich Antiochien am Orontes – kurz vor Syrien. Der Fluß ist eine klägliche Kloake – und die Stadt,- na ja. Kaum zu glauben, dass das zu Pauli Zeiten die drittgrößte Metropole nach Rom und Alexandria war. Es ist wenig geblieben.
Aber Mosaiken im Museum. Mosaiken, sag ich, die können auch in Hercaluneum nicht schöner sein. Am neckischsten finde ich den betrunkenen Dionysos, der im Arm eines Begleiters hängt und seinen Wein aus der Trinkschale einem Hund zu schlürfen gibt. Man wirft also doch vor die Hunde, jedenfalls wenn man ein Gott ist.
Am Abend spielt die Türkei Fußball. Es gibt wieder Bier – und die Welt ist in Ordnung. Als die Türken nachts das Elfmeterschießen gewonnen haben, steht die Stadt Kopf. Nicht nur ein Feuerwerk – das wäre ja nichts Besonderes in der Türkei – aber ein Menschenzauber sondergleichen.: Sie tanzen, sie singen , sie schreien, Fahnenmeere, Hupkonzerte, Motorräder dröhnen und jaulen, Sprechchöre, Vorrufer und Nachbeter – wie in der türkischen Schule eingeübt - , die Welt scheint zu klein für diesen Jubel – und es scheint: ganz ohne Alkohol,- jedenfalls merke ich nichts davon.
Laut ist`s und die Nacht kurz. Die verknitterten Gesichter am nächsten Morgen erzählen schlaflose Geschichten.

Dritter Tag: Seleukia, Hafen und Titustunnel - Tarsus, Adana

Wir sind fast in Syrien. Da ist der Musa Dag, der Mosesberg. Werfel fällt mir ein. Armenier-Fluchtstätte. Ich müßte das noch einmal lesen.
Der Reiseleiter – scheint mir – spricht nicht gerne darüber. Man ist ja so tolerant in der Türkei – heute! Aber eigentlich war es schon immer so: Der Krieg 1923 war ei n Befreiungskrieg, die Griechenvertreibung ein Bevölkerungsaustausch, Armenier gab es gar nicht soviele, Christen ,- gibt es ja noch. Antakya ist die Stadt der Toleranz – sagt die Tourismuswerbung. Ja, es stimmt: am Vorabend um 18 Uhr hörte ich sogar einige Glockenschläge. So lasse man mal den Muezzin in Köln rufen. Mal schauen , wie tolerant wir Deutschen sind.
Vom alten antiken Hafen sieht man nur noch Reste der Kaimauern. Der Hafen ist verlandet.
Paulus ist hier ab – u. angereist. Heute ist Bauernland und Freizeitidylle hier: Felder und Strand. Durch den Felsen hat man einen Kanal geschlagen. Es gibt eine römische Inschrift: Titus, Vespasian.
Wir stolpern über die glitschigen Steine – und haben das Ganze für uns. Keine Touristen, nur wir paar Pilger auf der Suche nach Wasser. Es ist wieder heiß.
Dann: die Autobahn nach Adana. Aber auch sie zieht sich. Es ist eben alles relativ.
Um 17 Uhr sind wir schließlich in Tarsus. Alle im Festgewand.
Paulus von Tarsus, römischer Bürger einer nicht unbedeutenden Stadt in Kilikien(Apg. 21,39), Zeltmacher, Theologe, Pharisäer, Rabbi vielleicht, Christ, Redner, kleinwüchsig wahrscheinlich, kahl, keine Schönheit – aber überzeugt und für viele überzeugend, sich seiner Erfahrung ganz sicher, mutig und unerschrocken. Von niemandem – auch von Jesus nicht – gibt es im Neuen Testament ein menschlicheres, facettenreicheres Bild als von ihm, voller Farbe und Emotion. Er ist des Gedenkens wert.
Auch heute gibt es in Tarsus kaum Christen. Eine Handvoll spricht türkisch, die anderen sind vor allem Italiener, Deutsche oder von Irgendwo. Das ist die Festgemeinde derer, die gekommen sind, das Paulusjahr des deutschen Papstes zu eröffnen. Ein Kardinal ist dabei. Der alte Kasper, der seinerzeit schöne Lutherzitate in seiner Dogmatikvorlesung in Tübingen kommentierte. Wenn ich damals gewüßt hätte -als hoffnungsvoller Student-, dass ich ihm einmal in Tarsus die Hand drücken würde, um ihm zu sagen, er möge etwas für die Einheit der Christen tun, die wir hier in der Türkei doch schon leben in äußerster Diaspora!
Es ist das Vernünftigste, sagt er, was wir tun können. Ob die Vernunft reicht, das Vernünftigste zu tun?
Ein paar Bischöfe sind da, auch ein griechisch-katholischer,- aber sonst? Armenier, Protestanten, Syrer, Anglikaner – nicht sichtbar oder nicht identifizierbar.
Man betet, man singt. Die Presse ist da, das Fernsehen. Die beiden amerikanischen Nonnen werden gefilmt als kämen sie aus Hollywood.
Das türkische Touristikministerium hat manches gesponsert. Das merkt man bei der offiziellen Eröffnung am Paulusbrunnen. Es ist gut für die Türkei, tolerant zu sein. Und Paulus war Völkerapostel. Ob man ihn für das interreligiöse Gespräch wirklich reklamieren kann? Er war doch vor allem Missionar. Das dürfte weniger gefallen. Vor 2000 Jahren war er unaufhaltbar mutig. Daran fehlt es heute. Das Christentum scheint alt geworden.

Manche würden gerne länger bleiben, andern ist es genug,
Am Abend gibt’s wieder Fußball

Vierter Tag Nichts als Adana
Es ist Sonntag. Den Tag gönnen wir uns. Gottesdienst halten wir selber,- dafür müssen wir nicht noch einmal zu den Bischöfen nach Tarsus.
Dann wird geshoppt in Adana. Als wären die Hemden hier günstiger als in Alanya!
Auf dem Zentralplatz beobachte ich wie eine ziemlich alte Hure in Pluderhosen und geschminkt unter uralten Bäumen noch ältere Freier anmacht und abschleppt d.h. sie folgt dem Alten, der in Richtung Häuser schlurft, im dezenten Abstand von 50 Metern. Diese muslimische Welt ist auch interessant! Man muß nur Platznehmen und beobachten, dann merkt man, was in der Luft liegt.
Am Nachmittag fahren wir zum Stausee oberhalb Adanas, wo die Reichen ihre Villen haben. Wir essen Fisch im Yachtclub d.h. diejenigen essen, die keine Magen-Darmprobleme haben. Ich habe welche, leider.
Dann ist da noch die riesige Sabanci Merkez Moschee in der Stadt. Sechs Minarette – und Raum, Raum, Raum. 56 Meter mißt die Kuppel. 2,3 Kinder spielen Fangen unter ihr. Ein paar alte Männer beten. Wir Touristen schleichen mit unseren Kamaras etwas unsicher umher. Soviel Platz hat man geistlich selten.
Auch wenn der Tag entspannend war – wir sind wieder müde.
Trotzdem: noch eine Moschee. Ulu Cami. Altpersischer Stil. Klein mit großem Hof. Man betet im Freien anders als drinnen, selbst wenn der alte Raum heutzutage klimatisiert ist. Kein Dach zwischen Mensch und Gott. Man läuft ja auch nicht vor Betenden herum.
Dann bringt uns ein Dolmusch ins Hotel. Das ist schnell organisiert. Wir sind in der Türkei!
Am Abend: Fußball. Was sonst? Vollklimatisiert.

Fünfter Tag Heimwärts – entlang der Küstenstraße

Noch einmal 500/600 km – d.h. 10 Stunden, wenn nicht 12 im Bus.
Der Busfahrer ist ein Künstler. Nicht mehr jung, aber immer frisch. Unser Hamburger Architekt mit der Käpt`n Mütze sagt „Capitan“ zu ihm, was ihm sichtlich gefällt, auch dem Architekten gefällts. Die Küstenstraße ist Biegung pur – in alle Richtungen: links, rechts, nach oben, nach unten. Eine äußerst schmale Strasse, am Berg entlang, zumeist hart am Abgrund. Manche Frauen blicken stur geradeaus, wenn sie nicht stur in sich hineinblicken. Dann haben sies besser.
Aber die Aussicht entschädigt. Diese Buchten, dieses Wasser, diese Srände, dieser Wald!
Anamur, die alte Burg, ist nurmehr eine Zugabe. Jetzt reicht`s! Wir wollen nachhause!
Dankesworte runden alles ab.
Ja, es war schön. Ereignisreich,bedeutungsvoll. Herrliche Landschaft, moderne Städte, schöne Moscheen, geschichtsträchtige Steine, verträgliche Pilger – jedenfalls ist mir nichts anderes zu Ohren gekommen – Christen, die Wege suchen, Deutsche, die der Türkei und Türken begegnen – ein Unternehmen, das sich gelohnt hat.
Nicht nur Paulus ist es wert! Aber der auch!
Und:
Heute abend gibt`s kein Fußballspiel! Erst wieder übermorgen – halbfinal:
Deutschland : Türkei
Oder
Türkei : Deutschland
RAINER WUTZKOWSKY

1 Kommentar:

YALOS hat gesagt…

vielen Dank für den schönen Bericht... vielleicht kannst du mir bei Gelegenheit mal mehr erzaehlen...ich würde mich freuen, Christiane