Predigt zum 3. Advent über Lukas 1,46-56
Liebe Gemeinde,
vor einigen Wochen haben wir dort rechts in der Ecke unsere Marienfigur aufgestellt. Ich sage „unsere“, weil sie extra für uns von einem ehemaligen Gemeindeglied geschnitzt wurde. Leider ist der Stifter vor kurzem gestorben.
Für die katholischen Christen ist es nicht ungewöhnlich, dass wir eine Madonna haben. In jeder katholischen Kirche steht ja eine. Evangelische Christen müssen sich erst gewöhnen. Aber es lohnt auch, sich zu gewöhnen, denn Maria, die Mutter Jesu, ist für alle Menschen bedeutsam. Selbst die Moslems verehren sie.
Unsere Kirchen sind in der Regel von männlichen Symbolen bestimmt. Jesus am Kreuz z.B. steht überall im Zentrum. Da ist es gut, dass wir neben diesem Symbol von Macht, Gewalt und Unrecht, einem Widerspruchssymbol, auch noch ein ganz anderes hier haben.
Gott selbst hat ja ganz verschiedene Seiten. Neben der herrscherlichen und richterlichen Seite steht seine Barmherzigkeit und Liebe, sein Schutz, seine Nähe.
Alles das wird uns in der Maria ansichtig.
Allerdings: Maria gehört nicht in die Mitte. Sie gehört an die Seite, an den Rand. Jesus selbst hat sie oft dort hingestellt. Denken wir nur an den 12jährigen Jesus, der zu seinen Eltern, die ihn suchen, sagt: Ich gehöre zu meinem himmlischen Vater. Ihr müsst da zurücktreten.
Oder ein andermal als Nachbarn zu Jesus sagen: Draußen stehen deine Mutter und deine Brüder,antwortet Jesus ziemlich hart: Wer sind meine Mutter und meine Brüder? Nicht die, die es von Fleisch und Blut her sind, sondern die, die den Willen Gottes tun. Das ist meine wahre Familie.
In einer anderen Geschichte aber wird deutlich, dass die „ Maria am Rande“ eine ganz wichtige Rolle spielt. Als bei einer Hochzeit der Wein ausgeht, übernimmt Maria die Vermittlerinnen-Rolle zwischen Jesus und den anderen Leuten. Es geht in der Geschichte nicht darum, dass aus Wasser Wein gezaubert wird – sozusagen als Kunststückchen. Es geht darum, dass aus allem, was nur Wasser ist, etwas ganz Neues, viel Tieferes, etwas mit tieferem Gehalt wird. Die Menschen, die Welt, die Riten und Gebräuche sollen sich durch Jesus wandeln. Alles Verwässerte soll Wein werden. Da hört Maria die Bitten und Wünsche der Menschen. Sie spürt ihre Sehnsucht. Gerade als Frau ist sie sensibler und feinfühliger. Was sie spürt, sagt sie ihrem Sohn. Sie bittet für die anderen: Verwandle in Wein! Er ist ihnen ausgegangen. Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus weist sie wieder streng zurück und setzt sie an den Rand. „Weib“, sagt er schroff, - meine Stunde, der richtige Moment dazu ist noch nicht da – und du zwingst mich auch nicht da hinein.
Trotzdem bleibt Maria auf ihrer Spur. Was er sagt, das tut, sagt sie den anderen, als hätte sie die richtige Botschaft für diesen Augenblick.
Maria vermittelt also. Wie eine Mutter tritt sie für die Kinder ein. Und die Kinder fühlen sich bei ihr geborgen und gut aufgehoben. Sie weiß Rat und ahnt das Richtige.
Diese Rolle einer Vermittlerin – das ist überhaupt die wichtigste Rolle, die Maria hat. Manchmal ist es ja gut, dass nicht alles schonungslos direkt geht. Manchmal ist es gut, dass uns jemand zur Seite steht, dass sich jemand für uns einsetzt. Wir fühlen uns dann selber stärker.
Maria ist nun wirklich die Gott-Vermittlerin schlechthin. Durch sie kommt ja Jesus buchstäblich in die Welt. Sie vermittelt ihn der Welt. Sie ist die Mutter.
Je höher man Jesus nun als Gottes-Sohn oder gar als Gott selber dogmatisiert hat, desto höher hat man auch Maria tituliert. Gottes-Gebärerin oder Gottes-Mutter, Mutter Gottes hat man sie genannt und das ausgerechnet zuerst in Ephesus, wo in heidnischer Zeit berühmte Muttergottheiten verehrt wurden. Da ist einiges zusammengeflossen, und es besteht womöglich die Gefahr, dass Maria auf einmal sogar noch wichtiger wird als Gott. Als wäre sie die Gottes-Basis, seine Mutter.
Dann ist es gut, sich daran zu erinnern, dass Jesus Maria an den Rand gerückt hat. Da ist sie wichtig, da soll man sie auch lassen. Niemand soll sie ins Zentrum rücken, aber niemand soll sie auch ganz aus dem Bild drücken als bräuchte man sie nicht.
Noch eine andere Frage ist wichtig, wenn wir über Maria nachdenken.
Was für eine Maria meinen wir denn, wenn wir von ihr sprechen?
Maria ist im Laufe der Jahrhunderte zur Projektionsfläche für viele Bilder und Ideen geworden. Menschen haben ihre Vorstellungen und Wünsche in sie hineingelegt.
Auch unsere Maria hier in Alanya ist nur ein ganz bestimmtes Bild. Sie ist eine junge, hübsche, mädchenhafte Frau, etwas verspielt, fast süßlich zu nennen. Man könnte ihr jedes Baby in den Arm legen. Dieses liebliche Bild hat für die Gefühle vieler Menschen eine große beruhigende Rolle gespielt. So lieblich und schön,- da stellt man sich gerne unter ihren Schutz oder in ihre Nähe.
Das Bild der Maria in der Bibel ist aber ganz anders. Die Bibel zeigt eine aufgewühlte und aufwühlende Maria.
Ich muss etwas weiter ausholen: Mose hatte eine Schwester, die hieß auch Maria. Miriam. Nach dem gefährlichen Auszug aus Ägypten, wo es um Leben und Tod ging und Sieg oder Untergang auf Messersschneide stand, singt und trommelt die Miriam, als alles glücklich vorüber war, kraftvoll ein Siegeslied. Das ist eine politische Maria. Sie weiß, dass die Welt sich jetzt ändert, ja geändert hat.
Davon weiß die Maria aus Nazareth auch viel. Wir haben es in ihrem Lied, dem Magnifikat, gerade gehört: Du, Gott, hast meine Niedrigkeit angesehen und große Dinge an mir getan. Mir, der Magd. Alle Menschen werden mich ewig preisen. Warum denn?
Weil Maria ein Modell dafür ist, wie Gott handelt. Er macht klein, was sich menschlich groß und mächtig brüstet, was sich wichtig vorkommt und wichtig nimmt. Und er erhebt die Niedrigen. Das tut er immer so – jedenfalls auf lange Sicht, auch wenn die Menschen es nicht immer sofort erkennen.
In dem Lied der Maria wird eine ganze Weltordnung umgestürzt. Das alte, schale Wasser aller menschlichen Verhältnisse soll endlich tiefer, guter Wein werden.
Maria ist dafür selber ein 1. gutes Beispiel. Durch sie tritt das Gottes-Zeichen – Jesus – in die Welt. Wenn wir auf ihrer Seite stehen, wird sie bei uns sein – und wir werden uns in ihr und - ebenso wie sie - in Gott geborgen fühlen. Wir werden Gottes Kraft selbst in uns spüren und in uns wissen – je tiefer unten wir sind oder uns fühlen.
Liebe Gemeinde,
wir gehen auf Weihnachten zu – mit schnellen Schritten. Das ist ja unser schönstes christliches Fest: Gott selbst kommt in unsere Mitte und er verwandelt stetig die Welt. Das fängt immer neu im Herzen von Menschen an. Aber die Welt braucht es auch immer wieder und immer dringlicher. Es ist viel Unglück und Unrecht durch unsere Religion in die Welt gekommen. Aber wer weiß, wie die Welt wohl aussähe, wenn es die Intervention Gottes nicht gegeben hätte und gäbe? Gottlosigkeit ist nach allem, was wir überall sehen, keine Gewähr dafür, dass irgendetwas in der Welt oder für die Menschen besser wird.
Gepriesen sei deshalb die Frau, durch die die größte Intervention Gottes, der größte Einspruch Gottes in die Welt gekommen ist: Maria – die Mutter Jesu. Die Prophetin Gottes. Sie ist uns Vorbild und Hilfe zugleich. Deshalb steht sie da an unserer Seite, am Rande. Und wenn wir ein ganz besonderes Anliegen haben, eine Bitte, einen tiefen Wunsch, können wir vor ihr eine Kerze anzünden oder eine Blume an ihren Platz legen, damit Gott uns sieht und hört.
AMEN
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