Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der
da war und der da kommt. Amen
Predigttext: Lukasevangelium, Kapitel 9, 57ff. (Vom Ernst
der Nachfolge)
57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich
will dir folgen, wohin du gehst.
58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die
Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er
sein Haupt hinlege.
59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach
aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.
60 Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben;
du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!
61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber
erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind.
62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt
und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Predigt: Liebe
Gemeinde,
Jesus braucht starke Menschen.
Das kann die Überschrift über die
heutige Predigt sein. Es geht um den Weg gemeinsam mit Jesus, und da lesen wir:
Nachfolge ist erstens: nichts für übereifrige, denen geht schnell die Luft aus,
und sie ist zweitens nichts für Unentschlossene, denen immer ein "Ja, wenn
und aber" auf den lippen liegt, und drittens: der Weg der Nachfolge ist
auch nichts für Furchtsame. Für die gibt es ja immer etwas Wichtigeres zu tun.
Jesus ist unterwegs nach
Jerusalem. Er ahnt, was auf ihn zu kommt. Er hat zu den Jüngern von dem
bevorstehenden Leiden gesprochen. Aber diese hatten kein Ohr dafür oder haben
es einfach so abgetan.
Petrus hatte es kurz vor unserem
Text ausgesprochen: "Du bist der Sohn Gottes". Diese
Gewissheit gibt Kraft, sie kann aber auch blind machen für das, was um einen
herum stattfindet. Manche von uns wissen, wie das ist, wenn man von irgendetwas
oder von irgendwem so richtig "Fan" ist. Wenn man sich für eine Sache
so richtig brennend begeistern kann. Mit alle Kraft. Das kann schon auch ein
wenig unbekümmert machen.
Jesus schafft klarheit. Er weiß
wohl, was auf ihn und seine Jünger zukommen wird. Jeder, der nachfolgen, seinen
Weg mitgehen will, muss sich entscheiden, aber er soll dann wenigstens auch die
Risiken kennen. "Nachfolge" heißt in diesem Zusammenhang nämlich
auch, das Kreuz mitzutragen.
Jesus spricht von und mit den
Menschen der damaligen Zeit. Es sind ganz unterschiedliche Menschen, mit denen
er zusammen ist. Diese Unterschiede gibt es bis auf den heutigen Tag. Auch wir
unterscheiden uns ja untereinander. Jeder von uns hat eine andere Biographie,
andere Vorasussetzungen, andere Fähigkeiten und Gaben. Deshalb wird unser Weg
in der Nachfolge auch sehr unterschiedlich sein.
Nachfolge heißt nicht:
"Im Gleichschritt – marsch!" Nachfolge heißt: Wir haben einen Herrn,
dem wir folgen, und wir haben ein Ziel, auf das wir zugehen. Dieses Ziel
ist Gottes Welt, die nach unserer Welt kommt. Auf sie hin geht
unser Lebensweg, und am Ende werden wir bei Gott sein. Die einigkeit in diesem Weg
und das ziel, beides, macht uns zur Gemeinde Jesu Christi!
Trotzdem sind wir
unterschiedliche Menschen. Und Jesus geht auf diese Unterschiedlichkeit ein. Er
weiß, was auf die Menschen in der Nachfolge zukommt. Er lässt sie nicht im
Dunkeln, sondern führt ihnen die Konsequenzen vor Augen, was es bedeutet, mit
ihm auf dem Weg zu sein. Jesus spricht sie gezielt an.
Zuerst den Begeisterten. - "Ich
komme mit, egal, wohin du gehst." Er ist motiviert und voller
Tatendrang. So, wie wir uns Menschen in unserer Gemeinde immer wünschen.
Begeisterte gibt es heute auch noch. Nach einem christlichen Festival, einem
Kirchentag, einer Evangelisation, einer Bibelwoche, einer tollen Predigt. Ja –
jetzt mache ich es ganz ernst. Jetzt bringt mich niemand mehr vom Glauben ab.
Jetzt wird alles anders. So klingen Begeisterte. Sie sehen ein herrliches Leben
als Kinder Gottes vor sich – Glück – Freude – Sonnenschein.
Aber Jesus scheint nicht
begeistert. Er warnt, er bremst den Mann: "Die Füchse haben Gruben und
die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo
er sein Haupt hinlege." Du willst mir folgen, wohin ich gehe? Weißt du
überhaupt, was du da sagst? Mit mir zu gehen, ist oft unbequem, es kann hart
sein. Wer mit mir geht, lässt sich auf einen unbekannten Weg ein.
Will Jesus den Begeisterten
abschrecken? Wohl eher nicht. Aber ernüchtern will er ihn, das schon. Der
Begeisterte soll klar sehen: Nachfolge ist oft schwer. Nachfolge Jesu bedeutet
nicht immer, geborgen zu sein und in Sicherheit zu leben. Nachfolge kann auch
bedeuten: Du bist einsam, schutzlos, ohne äußere Sicherheit. Manchmal fehlt die
Nestwärme.
Jesus ernüchtert die
"Begeisterten". Macht euch keine falschen Vorstellungen. In meiner
Nachfolge gibt es Schwierigkeiten und Entbehrungen und manchen Verzicht. Der
Weg von und mit Jesus ist eben auch ein Kreuzweg. Das soll jeder
wissen, der ihn geht. Wer einen solchen Weg mit falschen Vorstellungen
beschreitet, wird schnell aufgeben.
Das kommt uns heutige Menschen
vielleicht hart an, liebe Gemeinde! Uns, die wir es gewohnt sind, in einer
gewissen Sicherheit zu leben, die wir es gewohnt sind, möglichst zu wissen, was
morgen sein wird.
Und ein wenig Bequemlichkeit...
Man gönnt sich ja sonst nichts. Dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Aber
wie hart käme es uns an, wenn wir auf die Errungenschaften der Zivilisation
auch nur kurze Zeit verzichten müssten? Wie schwer würde es uns fallen, das
Vertraute und Gewohnte hinter uns zu lassen?
Können wir das? - Wie viele von
uns sind echt bereit, die gewohnten Bahnen zu verlassen und einen neuen,
ungewissen, unsicheren Weg zu gehen?
Sich zu Jesus zu bekennen, kostet
in unserer Gesellschaft (in der Türkei wie in Deutschland) zumindest nicht sehr
viel. (Außer Kirchensteuer vielleicht und die Kollekte im Gottesdienst). Wer
getauft ist, sich firmen bzw. konfirmieren lässt, Bekenntnis ablegt und
regelmäßig den Gottesdienst besucht, hat keine großen Nachteile zu befürchten.
Das ist nicht selbstverständlich. Manche Menschen z.B. Im Osten Deutschlands
können sich auch noch an andere Zeiten erinnern. Das ist für uns heute
glücklicherweise vorbei. Heute ist es zwar nicht immer bequem und entspricht
nicht dem "main-stream", aber trotzdem relativ ungefährlich,
"Nein" zu sagen und nicht mit der Masse zu handeln. Aber dafür liegt
die Frage bei uns selbst, in den sogenannten "kleinen Dingen" des
Lebens, zum Beispiel: Gottesdienst statt Bett, Gemeindeabend statt
Fernsehabend, Besuchsdienst statt Feierabend, Ehrenamt statt Schwarzarbeit.
Jesus weiß, dass sein neuer
Freund nicht weit kommen wird, wenn nur die Begeisterung ihn antreibt.
Deshalb weist er ihn darauf hin, was auf ihn zukommt. Er will ihn wohl gerne
mitnehmen auf seinem Weg. Aber er soll sich keine falschen Vorstellungen machen
von dem, was auf ihn zukommten kann.
Der Zweite, den Jesus
anspricht, reagiert ganz anders. Er sagt nicht von sich aus, dass er mitkommen
will. Jesus sprich ihn an, lädt ihn persönlich ein. Folge mir
nach! Aber er zögert. "Ja, ich würde schon, aber gerade ist mein Vater
gestorben. Den muss ich erst noch begraben." - Dafür haben wir doch
Verständnis. Das ist schließlich eine wichtige Sache, dem eigenen Vater die
letzte Ehre zu erweisen. Gehört das nicht zu den Dingen des fünften Gebotes?
Aber hier geht es um anderes,
liebe Gemeinde: Es geht nicht um das große Ziel, vor dem alles zurückstehen
muss, für das manche Achtlosigkeit, Lieblosigkeit oder Ungerechtigkeit in Kauf
zu nehmen wäre. Es geht in einer extrem zugespitzten Situation um die Frage:
Wie entscheidest Du dich?
Das ist eine ganz persönliche
Frage. In unserem Beispiel gibt es vielleicht ja noch andere, Geschwister etwa,
die den Vater begraben können – aber der Angesprochene ist vor die
Entscheidung gestellt: Folge mir nach – oder eben nicht.
Wir wissen, dass es diese
Entscheidungen gibt: Jetzt oder nie, entweder – oder, Glaube und Nachfolge oder
eine ganz andere Lebensgestaltung. Vor solche Alternativen wird man nicht alle
Tage gestellt – Gott sei Dank!
Aber wenn es passiert,
dann muss die Entscheidung klar sein, dafür will uns Jesus mit seiner Rede die
Ohren schärfen – und fit machen, wenn es soweit ist.
Und dann ist da noch der Dritte.
Der ist unentschlossen. Der weiß nicht so recht, was das für Folgen hat. Ja,
aber... Auch ihn ruft Jesus in die Nachfolge.
Ja – aber: Ja, Herr, ich folge dir
nach, aber zuerst muss ich von meinen Lieben Abschied nehmen. Das muss Jesus
doch verstehen! Das gehört sich doch so! Und schließlich ist es doch egal, ob
ich heute schon nachfolge oder erst morgen. Aber nichts da! Jesus will
Nachfolge jetzt und hier!
Wer kennt sie nicht, die
verpassten Situationen. Den unangenehmen Anruf, wenn ich spüre, dass ich
irgendetwas falsch gemacht habe.Der immer wieder hinausgeschobene Besuch bei
einem unheilbar Kranken. Gründe finden sich immer...
Je nach Alter der Menschen sind
die Gründe verschieden.
Junge Leute haben immer anderes,
was wichtiger ist. Da schiebt man gern das Eine hinaus. Bei erwachsenen heißt
das: Ja, ich hätte schon Interesse. Aber ich bin müde, habe soviel Stress, die
Familie sehe ich sowieso zu wenig, ich brauche mein Wochenende. Viele alte
Menschen sagen oft: Ich möchte ja schon, aber ich schaffe das nicht mehr.
So kann Aufbruch in neue Zeiten
mit Jesus, der Aufbruch zu einem anderen Leben nie gelingen. So verschieben wir
den Aufbruch Jahr um Jahr. Ein ganzes Leben lang.
"Wer die Hand an den
Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.",
sagt Jesus. Wenn wir uns dieses Bild vor Augen halten, können wir dem nur
zustimmen. Stellen wir uns doch mal vor, was passiert, wenn wir nach vorn
gehen, aber nach hinten sehen. Das geht nicht lange gut...
Oder:
Wer mit Jesus ans Ziel kommen
will, der muss ihm nachfolgen, im wahrsten Sinne des Wortes: Hinterhergehen.
Wer sich andauernd umdreht und an Altem festhält und sich immer aufhalten lässt,
wer seine Hand an den Pflug legt und zurücksieht, der ist nicht geschickt für
das Reich Gottes.
Aber, liebe Schwestern und
Brüder, wenn wir uns auf den Weg machen, sind wir nicht allein. Jesus
geht vor uns, er zeigt uns den Weg, wir dürfen ihn nur nicht aus den Augen
verlieren. Und wir sind auch in der Nachfolge nicht allein. Mitmenschen,
Freundinnen und Freunde, Mitchristen sind mit dabei. Auch sie stärken uns und
lassen den Weg leichter werden.
Manchmal sehen wir das Ziel noch
nicht, Hilfe ist noch nicht in Sicht. Aber Nachfolge hat auch mit Vertrauen zu
tun. Mit dem Vertrauen: Herr, der Weg, den du mich führst, auf den du mich
leitest, der ist gut und führt zum Ziel.
Gott nimmt uns ganz an,
ohne Wenn und Aber. Genauso dürfen wir ihn in der Nachfolge ganz ohne Wenn und
Aber annehmen. Wir müssen nicht überschwänglich begeistert sein, dürfen aber
auch nicht zögern oder unentschlossen bleiben. Wer seinen Weg mit Jesus geht,
wer in seinem Sinn nach dem Maßstab der Liebe und der Wahrheit handelt, wird
gesegnet.
Und der Friede Gottes, welcher
aus Gnade und Freundlichkeit besteht, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus
Jesus. AMEN
Gebet: Vater
im Himmel,
wir danken dir, dass du uns durch Jesus Christus noch immer
zu dir rufst. So viele Stimmen dringen auf uns ein, aber du bringst es noch
immer fertig, dass wir auf dich hören. Und nun gib uns die Kraft, dass wir
Jesus Chrisus nachfolgen, dass wir mit ihm dahin gehen, wo deine Liebe, deine
Vergebung, deine Gnade gebraucht werden. Schenke uns den Mut, dass wir uns der
Schuldiggewordenen, der Heimatlosen, der Schwachen annehmen.
Lass es nicht zu, dass wir nur auf uns, auf unsere kleine
Zahl und auf unseren geringen Einfluss sehen, sondern mache uns tauglich für
dein Reich, damit wir alles von dir uns deiner Macht erwarten. Erwecke in jedem
von uns die Hoffnung, dass wir nach vorne schauen und auf dein Kommen uns
freuen, weil unser Leben und diese Welt bei dir aufgehoebn und geborgen sind in
alle Ewigkeit. Amen.
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