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Samstag, 21. März 2020

Bibeltext und Predigt zum Gottesdienst am 22. März 2020 (Lätare)



Vorbemerkung:
Liebe Schwestern und Brüder um Christi willen!
Nun ist es bereits der zweite Sonntag, an welchem wir uns wegen des grassierenden Corona-Virus nicht in unserem Kirchenraum zu Alanya zum Gottesdienst versammeln können. Damit wir aber mit unserem Gott und himmlischen Vater sowie auch untereinander verbunden bleiben, habe ich zum Nachlesen (vielleicht am Sonntag um 11 Uhr 30) einen Gottesdienst teilweise ausgearbeitet.
Gern hinweisen möchte ich auch auf den Text der Schriftlesung. Für mich ist er Hilfe und Trost in dieser Zeit.
Die heutige Predigt hält sich relativ streng an den Predigttext, die Tages-Aktualitäten sind nicht direkt an- bzw. ausgesprochen, gleichwohl sind sie mir im Hintergrund natürlich auch bei der Ausarbeitung immer präsent gewesen.
Ihnen/Euch allen ganz, ganz liebe Grüße und einen gesegneten Sonntag wünscht
Ihr / Euer Pastor Frieder Lenger

Wochenspruch: Jesus Christus spricht: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht." (Johannesev. 12,24)

Schriftlesung: Gottes Wort aus dem Mund des Propheten Jesaja Kapitel 54, 7-10 (Lutherbibel)
7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. 8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. 9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. 10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Predigttext: Philipper 1, 15-21
(Die Gefangenschaft des Paulus und die Verkündigung des Evangeliums)
 15 Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht:
16 diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege;
17 jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft.
18 Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber.Aber ich werde mich auch weiterhin freuen;
19 denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi,
20 wie ich sehnlich erwarte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod.
21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.

Predigt:  Liebe Gemeinde,
Sterben ist mein Gewinn.
Wer schwer trauert, wird diesen Satz nicht akzeptieren können. Das Sterben eines nahestehenden Menschen ist alles andere als ein Gewinn. Die Worte "Sterben" und "Gewinn" sind geradezu Gegensätze, die sich ausschließen. Sterben ist schlimmer Verlust, der durch nichts auszugleichen ist. Es bedeutet Abschied und Leere. "Sterben ist mein Gewinn?" Ein Satz, an dem Reibung entsteht. Wo soll er denn sein, der Gewinn? Ist Sterben eine Lotterie mit Hauptgewinn und Nieten? Ein gewonnenes Ziel nach langer Anstrengung? Oder ein Lebensüberschuss in irgendeiner Art?
Beim Lesen von Todesanzeigen begegnen mir manchmal Sätze wie: "Es war kein Sterben, es war eine Erlösung." Oder ich spüre die Erleichterung: "Endlich durfte unsere Mutter nach langem Leiden heimgehen." Hier wird in der Tat Sterben als Gewinn empfunden. Wer todkrank ist und leidet, wer nicht sterben kann, obwohl er es schon so lange will, für den ist Sterben zumindest kein Schrecken, sondern eine Beendigung der Qual, in gewisser Weise also ein Gewinn. Das Sterben ist dann willkommen, denn es befreit von Schmerz. - Solche Sätze, so aufrichtig sie sind, sagen allerdings mehr über ein Leben, welches nicht mehr zum Aushalten ist, aus, als über das Sterben.

"O Tod, wie gut ist es, dass du auferlegt bist für betrübte und kraftlose Menschen, die straucheln und überall anstoßen, die verzweifelt sind und die Hoffnung verloren haben." Jesus Sirach, von dem diese Worte stammen, sagt aber auch: "O Tod, wie bitter ist es, an dich zu denken für die, die ruhig ihr Haus bewohnen, für die, die ohne Sorgen sind und in allem Erfolg haben und noch kräftig genug sind, um gut zu essen." (vgl. Jesus Sirach 41, 1-5)

An der Art des Lebens oder Sterbens vermag ich aber noch nicht zu ermessen, worin nun der Gewinn besteht, von dem Paulus spricht.

Sterben könnte nur dann ein Gewinn sein, wenn wir es ins Leben hineinholen. So geschieht das beispielsweise in der Hospizbewegung. Die Gründerin Ciceley Saunders sagte: "Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben." Der Gewinn besteht demnach nicht in mehr Lebenszeit. Worin dann?
Darin, dass Menschen in ihren letzten Wochen, Tagen und Stunden Geborgenheit und Sicherheit erfahren. Dass sie ein Zuhause erleben und Zuwendung. Dass sie die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten, aber auch erfahren, dass ihr Leben trotz des nahenden Endes bejaht wird und liebevoll begleitet bis zum Schluss. Dass die eigenen Vorstellungen, Wünsche und Werte respektiert werden und er oder sie darauf vertrauen kann, gerade in der letzten Lebensphase. Dass gerade dann, wenn die Lebenszeit so begrenzt scheint, mehr Leben, intensivere Beziehungen zu Angehörigen erfahren werden. Im Gästebuch eines Hospizes findet sich folgende Inschrift:
"Ein wunderbarer Ort, wegen seiner Lage, mehr noch wegen der Menschen, die Menschen Würde schenken."
Ein wunderbarer Ort – das sagt viel aus über Gewinn im Sterben. Der Ort muss natürlich kein stationäres Hospiz sein. Das kann auch im Krankenhaus oder zu Hause sein. Sterben ist dann eine Chance, das Leben noch einmal neu und kostbar zu erfahren. Für Sterbende wie für Menschen, die ihnen am nächsten stehen.

Das Sterben ins Leben hineinholen, ja, da kann ich einen Gewinn sehen. Das tut auch unserem Leben gut, wenn das Sterben nicht an den Rand gedrängt wird und dadurch von seiner Fremdheit und seinem Schrecken etwas verliert.

Für Paulus hatte das Sterben keinen Schrecken. Ein Detail, scheint mir, ist ihm wichtig. Er schreibt: Sterben ist mein Gewinn. Das ist also ein Ich-Botschaft, die er aussendet. Es geht ihm nicht um einen allgemein gültigen Glaubenssatz. Gleichwohl kann dies Wort auch für Trauernde, die das Sterben eines lieben Menschen als einen großen Verlust empfinden, nachdenkenswert sein. Paulus schreibt aber erst mal über sich selbst. Über sein Sterben. Er braucht es nicht erst in sein Leben hinein zu holen, sondern es steht ihm täglich vor Augen. Er ist schwer krank und hockt im Gefängnis, verfolgt aufgrund seiner christlichen Predigt. Festgesetzt und misshandelt. Ohne zu wissen, ob er das Gefängnis lebend verlassen wird. Immerhin ist er (noch) in der Lage, Briefe zu schreiben.
"Sterben ist mein Gewinn" – ja, bei solch einer Lebenslage können wir uns schon vorstellen, dass er gern sterben möchte und das alles hinter sich lassen will. Aber das ist nicht der Punkt! Der Punkt ist, dass er nicht nur das Sterben in sein Leben hineinlässt, sondern dass er, und zwar schon längst!, Christus in sein Leben hineingelassen hat. "Hineingelassen" ist nicht ganz richtig. Christus hat sich gewitterartig in Paulus' Leben hineingedrängt und von ihm Besitz genommen. Darum hören wir die beiden Aussagen zusammen: "Sterben ist mein Gewinn" – und davor: "Christus ist mein Leben!" Und sie hängen auch im Innersten zusammen. Paulus hat Christus in seinem Leben! Er hat den Weg Jesu in sich drin mitsamt Leben, Sterben und Auferstehen, und es ist sein eigener Weg geworden.

Nicht, weil er genauso verläuft. Jesus ist Jesus und Paulus ist Paulus. Aber wie Jesus als Gerechter, als Gott-Botschafter in den Tod ging, das ist für Paulus Vorbild. Und noch mehr strömt das in Paulus' Leben hinein, was Jesus Christus bewirkt hat: Heilung, Hoffnung, Lebensüberschuss – auch daran hat Paulus Anteil und alle, die Jesu Weg zu ihrem eigenen machen. Im Mitgehen mit Jesu Weg verliert auch der Tod sein Schweigen. Er ist plötzlich von Leben umgeben, weil Ostern kam und der Weg Jesu vom Vorsprung des Lebens erzählt, vom Lebensüberschuss.

Sehen wir: Weil Paulus von Christus erfüllt sein Leben lebt, darum kann der Tod für ihn Gewinn sein. Der Tod hebt die letzte Schranke auf, die ihn momentan (noch) von Christus trennt. Er ist für Paulus ein Durchgang zu neuem Leben. Luther hat den Tod einmal mit einer Geburt verglichen, die zwar schmerzhaft ist, aber der Anfang eines glücklichen Lebens. Da ist Luther ganz bei Paulus. Der Weg Jesu durch den Tod hindurch... Wenn wir uns da einklinken könnten, als Trittbrettfahrer, dann könnten Angstbrocken von unseren Herzen kullern. Dann könnte der Eine oder die Andere das auch wagen zu bekennen: "Ja, Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn!"

Paulus lebt ja noch zu dem Zeitpunkt, da er dies schreibt. Er wird das Gefängnis verlassen können für diesmal. Aber diese Lebenshaltung, dieses Vertrauen in Christus, der ihn mitnimmt im Leben und im Sterben, das hat schon jetzt Auswirkungen. Das Leben ist da! Und es wird jetzt gelebt. Da mag die Außenansicht meines Lebens nicht immer soooo prächtig sein. Im Gefängnis, krank, Leben im Ungewissen. Aber die Innenansicht bei Paulus gibt ein anderes Bild. Er freut sich! - Es begegnet uns in diesem Brief an die Philipper ein Paulus, der nicht um sich und seine Leiden kreist. Sondern der weiterhin regen Anteil nimmt an dem, was die Gemeinde in Philippi umtreibt. Der heiter und gelassen auf ihre Sorgen antwortet. "Was? Einige bei euch predigen Christus aus Eigennutz? Und möchten mich mit ihrer Predigt ärgern? Was soll's! Hauptsache, Christus wird überhaupt unter die Leute gebracht. Das ist doch Grund zur Freude!

Was? Ich bin im Gefängnis? Aber dadurch gibt es neue Möglichkeiten der Verkündigung, denn noch mehr Menschen kommen durch mich hier in Berührung mit der frohen Botschaft. Ein Grund zur Freude!

Ihr lieben Philipper betet für mich. Ich habe Euch und als Plus den Geist Jesu. Ich bin also gut aufgehoben. Ein Grund zur Freude!"

In der Tat: Paulus versteht es, aus allem das Beste zu machen. Das ist die Innenansicht eines Menschen, der vertraut. Lassen Sie uns heute, am Sonntatg "Lätare" ("Freut euch") den Weg Jesu hineinholen in unser jeweils eigenes Leben. Und damit auch die Freude über den Gewinn an Lebensfülle, die uns Gott verspricht in Zeiten der Einschränkungen, jedenfalls im Leben und im Sterben!
Und der Friede Gottes, der den Müden Kraft gibt, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.          AMEN

Gebet:  Gott, die Nähe zu dir ist keine 100%ige Garantie für ein Leben ohne jede Kränkung; du ersparst uns weder Schmach noch Niederlage. Aber auch in der Stunde der Schande lässt du uns nicht im Stich, du teilst mit uns die Einsamkeit, die Scham und die Verzweiflung. Gemeinsam mit dir laufen wir nicht ins Leere, in deiner Nähe bleibt uns Raum für einen zweiten Versuch. Wenn wir am Ende sind, bist du da und stärkst uns, damit wir zu uns selbst und zueinander finden können. Du lässt uns nicht in der Einsamkeit, sondern stellst uns in Gemeinschaft. - Ermutige uns, zueinander zu stehen und uns nicht aufzugeben.
Mit unseren Schwestern und Brüdern auf der Erde beten wir jetzt gemeinsam: Vater unser, im Himmel, geheiligt werde.....          Amen.

Segenswort: Der Segen des lebendigen Gottes behüte und bewahre uns, er schenke uns wahres und ewiges Leben durch die Kraft seines Geistes in Jesus Christus. - Friede sei mit uns heute und in alle Ewigkeit.     AMEN

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