Vorbemerkung:
Liebe Schwestern und Brüder um
Christi willen!
Nun ist es bereits der zweite
Sonntag, an welchem wir uns wegen des grassierenden Corona-Virus nicht in
unserem Kirchenraum zu Alanya zum Gottesdienst versammeln können. Damit wir
aber mit unserem Gott und himmlischen Vater sowie auch untereinander verbunden
bleiben, habe ich zum Nachlesen (vielleicht am Sonntag um 11 Uhr 30) einen
Gottesdienst teilweise ausgearbeitet.
Gern hinweisen möchte ich auch
auf den Text der Schriftlesung. Für mich ist er Hilfe und Trost in dieser Zeit.
Die heutige Predigt hält sich
relativ streng an den Predigttext, die Tages-Aktualitäten sind nicht direkt an-
bzw. ausgesprochen, gleichwohl sind sie mir im Hintergrund natürlich auch bei
der Ausarbeitung immer präsent gewesen.
Ihnen/Euch allen ganz, ganz liebe
Grüße und einen gesegneten Sonntag wünscht
Ihr / Euer Pastor Frieder Lenger
Wochenspruch: Jesus Christus spricht: Wenn das
Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber
erstirbt, bringt es viel Frucht." (Johannesev. 12,24)
Schriftlesung: Gottes Wort aus dem Mund des Propheten
Jesaja Kapitel 54, 7-10 (Lutherbibel)
7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber
mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. 8 Ich habe mein Angesicht im
Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will
ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. 9 Ich halte es wie
zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde
gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und
dich nicht mehr schelten will. 10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel
hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines
Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Predigttext: Philipper 1, 15-21
(Die Gefangenschaft des Paulus und die Verkündigung des
Evangeliums)
15 Einige zwar
predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht:
16 diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur
Verteidigung des Evangeliums hier liege;
17 jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht
lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft.
18 Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede
Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber.Aber
ich werde mich auch weiterhin freuen;
19 denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch
euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi,
20 wie ich sehnlich erwarte und hoffe, dass ich in keinem
Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch
jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder
durch Tod.
21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.
Predigt: Liebe
Gemeinde,
Sterben ist mein Gewinn.
Wer schwer trauert, wird diesen
Satz nicht akzeptieren können. Das Sterben eines nahestehenden Menschen ist
alles andere als ein Gewinn. Die Worte "Sterben" und
"Gewinn" sind geradezu Gegensätze, die sich ausschließen. Sterben ist
schlimmer Verlust, der durch nichts auszugleichen ist. Es bedeutet Abschied und
Leere. "Sterben ist mein Gewinn?" Ein Satz, an dem Reibung entsteht.
Wo soll er denn sein, der Gewinn? Ist Sterben eine Lotterie mit Hauptgewinn und
Nieten? Ein gewonnenes Ziel nach langer Anstrengung? Oder ein Lebensüberschuss
in irgendeiner Art?
Beim Lesen von Todesanzeigen
begegnen mir manchmal Sätze wie: "Es war kein Sterben, es war eine
Erlösung." Oder ich spüre die Erleichterung: "Endlich durfte unsere
Mutter nach langem Leiden heimgehen." Hier wird in der Tat Sterben als
Gewinn empfunden. Wer todkrank ist und leidet, wer nicht sterben kann, obwohl
er es schon so lange will, für den ist Sterben zumindest kein Schrecken,
sondern eine Beendigung der Qual, in gewisser Weise also ein Gewinn. Das
Sterben ist dann willkommen, denn es befreit von Schmerz. - Solche Sätze, so
aufrichtig sie sind, sagen allerdings mehr über ein Leben, welches nicht mehr
zum Aushalten ist, aus, als über das Sterben.
"O Tod, wie gut ist es,
dass du auferlegt bist für betrübte und kraftlose Menschen, die straucheln und
überall anstoßen, die verzweifelt sind und die Hoffnung verloren haben."
Jesus Sirach, von dem diese Worte stammen, sagt aber auch: "O Tod, wie
bitter ist es, an dich zu denken für die, die ruhig ihr Haus bewohnen, für die,
die ohne Sorgen sind und in allem Erfolg haben und noch kräftig genug sind, um
gut zu essen." (vgl. Jesus Sirach 41, 1-5)
An der Art des Lebens oder
Sterbens vermag ich aber noch nicht zu ermessen, worin nun der Gewinn besteht,
von dem Paulus spricht.
Sterben könnte nur dann ein
Gewinn sein, wenn wir es ins Leben hineinholen. So geschieht das beispielsweise
in der Hospizbewegung. Die Gründerin Ciceley Saunders sagte: "Es geht
nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben."
Der Gewinn besteht demnach nicht in mehr Lebenszeit. Worin dann?
Darin, dass Menschen in ihren
letzten Wochen, Tagen und Stunden Geborgenheit und Sicherheit erfahren. Dass
sie ein Zuhause erleben und Zuwendung. Dass sie die bestmögliche medizinische
Versorgung erhalten, aber auch erfahren, dass ihr Leben trotz des nahenden
Endes bejaht wird und liebevoll begleitet bis zum Schluss. Dass die eigenen Vorstellungen,
Wünsche und Werte respektiert werden und er oder sie darauf vertrauen kann,
gerade in der letzten Lebensphase. Dass gerade dann, wenn die Lebenszeit so
begrenzt scheint, mehr Leben, intensivere Beziehungen zu Angehörigen erfahren
werden. Im Gästebuch eines Hospizes findet sich folgende Inschrift:
"Ein wunderbarer Ort, wegen
seiner Lage, mehr noch wegen der Menschen, die Menschen Würde schenken."
Ein wunderbarer Ort – das sagt
viel aus über Gewinn im Sterben. Der Ort muss natürlich kein stationäres Hospiz
sein. Das kann auch im Krankenhaus oder zu Hause sein. Sterben ist dann eine
Chance, das Leben noch einmal neu und kostbar zu erfahren. Für Sterbende wie
für Menschen, die ihnen am nächsten stehen.
Das Sterben ins Leben
hineinholen, ja, da kann ich einen Gewinn sehen. Das tut auch unserem Leben
gut, wenn das Sterben nicht an den Rand gedrängt wird und dadurch von
seiner Fremdheit und seinem Schrecken etwas verliert.
Für Paulus hatte das Sterben
keinen Schrecken. Ein Detail, scheint mir, ist ihm wichtig. Er schreibt: Sterben
ist mein Gewinn. Das ist also ein Ich-Botschaft, die er
aussendet. Es geht ihm nicht um einen allgemein gültigen Glaubenssatz.
Gleichwohl kann dies Wort auch für Trauernde, die das Sterben eines lieben
Menschen als einen großen Verlust empfinden, nachdenkenswert sein. Paulus
schreibt aber erst mal über sich selbst. Über sein Sterben. Er braucht
es nicht erst in sein Leben hinein zu holen, sondern es steht ihm täglich vor
Augen. Er ist schwer krank und hockt im Gefängnis, verfolgt aufgrund seiner
christlichen Predigt. Festgesetzt und misshandelt. Ohne zu wissen, ob er das
Gefängnis lebend verlassen wird. Immerhin ist er (noch) in der Lage, Briefe zu
schreiben.
"Sterben ist mein
Gewinn" – ja, bei solch einer Lebenslage können wir uns schon vorstellen,
dass er gern sterben möchte und das alles hinter sich lassen will. Aber das ist
nicht der Punkt! Der Punkt ist, dass er nicht nur das Sterben in sein
Leben hineinlässt, sondern dass er, und zwar schon längst!, Christus in
sein Leben hineingelassen hat. "Hineingelassen" ist nicht ganz
richtig. Christus hat sich gewitterartig in Paulus' Leben hineingedrängt
und von ihm Besitz genommen. Darum hören wir die beiden Aussagen zusammen:
"Sterben ist mein Gewinn" – und davor: "Christus ist mein
Leben!" Und sie hängen auch im Innersten zusammen. Paulus hat
Christus in seinem Leben! Er hat den Weg Jesu in sich drin mitsamt
Leben, Sterben und Auferstehen, und es ist sein eigener Weg geworden.
Nicht, weil er genauso verläuft.
Jesus ist Jesus und Paulus ist Paulus. Aber wie Jesus als Gerechter, als
Gott-Botschafter in den Tod ging, das ist für Paulus Vorbild. Und noch mehr
strömt das in Paulus' Leben hinein, was Jesus Christus bewirkt hat:
Heilung, Hoffnung, Lebensüberschuss – auch daran hat Paulus Anteil und alle,
die Jesu Weg zu ihrem eigenen machen. Im Mitgehen mit Jesu Weg verliert auch
der Tod sein Schweigen. Er ist plötzlich von Leben umgeben, weil Ostern kam und
der Weg Jesu vom Vorsprung des Lebens erzählt, vom Lebensüberschuss.
Sehen wir: Weil Paulus von
Christus erfüllt sein Leben lebt, darum kann der Tod für ihn Gewinn sein. Der
Tod hebt die letzte Schranke auf, die ihn momentan (noch) von Christus trennt.
Er ist für Paulus ein Durchgang zu neuem Leben. Luther hat den Tod
einmal mit einer Geburt verglichen, die zwar schmerzhaft ist, aber der Anfang
eines glücklichen Lebens. Da ist Luther ganz bei Paulus. Der Weg Jesu durch den
Tod hindurch... Wenn wir uns da einklinken könnten, als Trittbrettfahrer, dann
könnten Angstbrocken von unseren Herzen kullern. Dann könnte der Eine oder die
Andere das auch wagen zu bekennen: "Ja, Christus ist mein Leben und
Sterben ist mein Gewinn!"
Paulus lebt ja noch zu dem
Zeitpunkt, da er dies schreibt. Er wird das Gefängnis verlassen können für
diesmal. Aber diese Lebenshaltung, dieses Vertrauen in Christus,
der ihn mitnimmt im Leben und im Sterben, das hat schon jetzt Auswirkungen.
Das Leben ist da! Und es wird jetzt gelebt. Da mag die
Außenansicht meines Lebens nicht immer soooo prächtig sein. Im Gefängnis,
krank, Leben im Ungewissen. Aber die Innenansicht bei Paulus gibt ein anderes
Bild. Er freut sich! - Es begegnet uns in diesem Brief an die Philipper ein
Paulus, der nicht um sich und seine Leiden kreist. Sondern der weiterhin regen
Anteil nimmt an dem, was die Gemeinde in Philippi umtreibt. Der heiter und
gelassen auf ihre Sorgen antwortet. "Was? Einige bei euch predigen
Christus aus Eigennutz? Und möchten mich mit ihrer Predigt ärgern? Was soll's!
Hauptsache, Christus wird überhaupt unter die Leute gebracht. Das ist doch
Grund zur Freude!
Was? Ich bin im Gefängnis? Aber
dadurch gibt es neue Möglichkeiten der Verkündigung, denn noch mehr Menschen
kommen durch mich hier in Berührung mit der frohen Botschaft. Ein Grund zur
Freude!
Ihr lieben Philipper betet für
mich. Ich habe Euch und als Plus den Geist Jesu. Ich bin also gut aufgehoben.
Ein Grund zur Freude!"
In der Tat: Paulus versteht es,
aus allem das Beste zu machen. Das ist die Innenansicht eines Menschen,
der vertraut. Lassen Sie uns heute, am Sonntatg "Lätare"
("Freut euch") den Weg Jesu hineinholen in unser jeweils eigenes
Leben. Und damit auch die Freude über den Gewinn an Lebensfülle, die uns Gott
verspricht in Zeiten der Einschränkungen, jedenfalls im Leben und im
Sterben!
Und der Friede Gottes, der den Müden Kraft
gibt, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus. AMEN
Gebet:
Gott, die Nähe zu dir ist keine 100%ige Garantie für ein Leben ohne jede
Kränkung; du ersparst uns weder Schmach noch Niederlage. Aber auch in der
Stunde der Schande lässt du uns nicht im Stich, du teilst mit uns die
Einsamkeit, die Scham und die Verzweiflung. Gemeinsam mit dir laufen wir nicht
ins Leere, in deiner Nähe bleibt uns Raum für einen zweiten Versuch. Wenn wir
am Ende sind, bist du da und stärkst uns, damit wir zu uns selbst und
zueinander finden können. Du lässt uns nicht in der Einsamkeit, sondern stellst
uns in Gemeinschaft. - Ermutige uns, zueinander zu stehen und uns nicht
aufzugeben.
Mit unseren
Schwestern und Brüdern auf der Erde beten wir jetzt gemeinsam: Vater unser,
im Himmel, geheiligt werde.....
Amen.
Segenswort: Der Segen des lebendigen Gottes behüte
und bewahre uns, er schenke uns wahres und ewiges Leben durch die Kraft seines
Geistes in Jesus Christus. - Friede sei mit uns heute und in alle
Ewigkeit. AMEN
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