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Sonntag, 2. November 2008

PREDIGT über Matth. 5,9 vom 2.11.08

Predigt über die 7. Seligpreisung Matth.5,9

Liebe Gemeinde,

wenn man Menschen – zumal ältere – nach ihren sehnlichsten, wichtigsten Wünschen für sich selbst, für andere und für die Welt fragt, bekommt man zumeist diese beiden genannt: Gesundheit und Frieden.
Wenn man tiefer in diese beiden Wünsche hineinhorcht, spürt man, dass sie zusammengehören: Wenn Gesundheit nicht nur körperlich zu verstehen ist – Unversehrtheit des Leibes -, sondern auch seelische Gesundheit meint, dann gehört auch Zufriedenheit, zu-Frieden-gekommen-sein dazu,- und das strahlt in die Welt aus, das schafft auch Frieden in der Welt. Gesundheit und Frieden hängen also zusammen. Frieden kommt aus Gesundheit. Aus Krankheit kann kein Frieden wachsen. Gesundheit und Frieden sind die wichtigsten Wünsche, die Menschen haben. Ohne Gesundheit und Frieden ist alles andere nichts.
Aber so eingerichtet ist die Welt nun mal eben nicht. Sie ist weder gesund noch friedlich. Da sind nicht nur Krankheiten, die das Leben schwer machen und die zu großen Sorgen, zu Kummer und Angst führen, da sind auch innere Verwundungen, die das Leben oder den Körper ausbluten lassen bis hin zur Erstarrung oder zum Tode, wie bei den beiden Frauen, von denen wir im heutigen Evangelium gehört haben. (Matth.9,18ff)
Und: Krankheiten und Verwundungen innerer und äußerer Art bringen Unfrieden in die Welt. Von den großen kriegerischen, terroristischen Auseinandersetzungen bis hin zu den kleinen Stellungskriegen im Alltag, in den Familien und manchmal sogar in uns selbst. Manche Menschen führen Krieg mit sich oder gegen sich selbst, weil sie ewig unzufrieden mit sich sind. Immer sind Krankheiten, Fehlentwicklungen, Verwundungen die Ursache für jede Friedlosigkeit.
In diese kranke, unheile, friedlose Welt spricht Jesus nun ein Wort, das wie Balsam klingt, wenn wir es nur richtig anzuwenden wüssten:
Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Söhne und Töchter Gottes heißen.
Martin Luther hat hier Friedfertige übersetzt. Das ist nicht falsch , aber auch nicht ganz richtig. Um friedfertig zu sein – also von einer friedlichen Wesensart oder Gesinnung sein – muss man zunächst einmal Frieden gemacht, aktiv Frieden geschlossen haben. Erst wenn man etwas dafür tut, kann man so auch sein. Von Natur aus allein ist der Mensch nicht friedfertig, sondern in Aufwallung, Aufregung, eher ohne Frieden und Zufriedenheit.
Wie stiftet man aber nun Frieden – und zwar mit sich selbst und mit anderen, und wie bringt man Frieden in die Welt? Das ist eine wichtige Frage.
Ich denke mir, dass wir alle das wohl wollen. Jeder hätte es gerne so. Deshalb wünschen wir es uns ja.
Aber warum vergessen wir es dann immer wieder? Warum übermannt uns immer wieder ein zänkisches Wesen oder geradezu eine Freude an Rachsucht – eben all`das, was nicht zum Frieden führt?!
Es hat keinen Zweck, wenn man hohe Ideale errichtet und hinter ihnen herläuft, und sich selbst mit all`seinen Begrenzungen, Fehlern und Verwundungen, mit seinen Krankheiten nicht mitnimmt.
Statt also nach oben zu schauen auf das Ganz-Gesunde, das Schöne und Edle, auf das Heile oder auch auf den ewigen Frieden, sollten wir eher nach unten, auf uns selber schauen und uns ein Stückweit aushalten und annehmen. Da sind wir mit all`unseren Lebensbrüchen, mit Verletzungen von Kindheit an, mit Unzufriedenheiten seit langem – und wir können nichts daran ändern, weil uns die Kraft dazu fehlt oder weil es gar nicht alleine von uns abhängt, beim besten Willen nicht.
Erst wenn ich das akzeptiere, merke ich, dass ich das in Wirklichkeit ja gar nicht bin. Das ist nur wie ein Gewand, das von einem unglücklichen Schicksal über mich gestülpt worden ist. Im Herzen bin ich ganz anders. Eigentlich will ich ja auch etwas ganz anderes. Und das, was ich will, ist wirklich gut.
Erst wenn ich meine Schatten gesehen habe und mich mit ihnen ausgesöhnt habe, kann ich aus meinem Herzen heraus neu leben. Das heißt Frieden-stiften, Frieden-machen. Zuerst mit mir – und dann kann ich in die Welt gehen.
Wir vergessen immer wieder, dass der Weg so verläuft. Wir hätten ihn gerne leichter, ohne Umweg. Wir hätten gerne den Frieden, ohne erst durch den friedlosen Menschen hindurchgehen zu müssen, um ihn zu überwinden. Aber das geht nicht. Erst müssen wir durch all`die harten Schalen, die um uns gelegt sind, hindurchbrechen, bevor wir aus dem echten, wahren und weichen Kern leben können.
Die das tun, die nennt Jesus Gottes-Söhne und Gottes-Töchter. Er meint damit nicht Gottes-Kinder, die klein und unmündig sind, sondern erwachsene, voll ausgereifte Söhne und Töchter. Menschen, die wirklich selbständig etwas tun, die den Frieden voranbringen, die wissen, dass sie eine friedliche Aufgabe haben, die an sich arbeiten, um erwachsen zu werden.
Auch dafür gibt es nun Regeln. Diese darf man nicht mit fordernden Gesetzen verwechseln. Diese Regeln kommen aus dem Herzen, wenn man einmal durch alle Verwundungen und Panzerungen bis zu ihm vorgedrungen ist.
Ich möchte Ihnen heute sieben solche Regeln nennen.
Voriges Jahr um diese Zeit war ich zum ersten Mal auf der Wartburg bei Eisenach in Thüringen. Die Wartburg ist nicht nur Luthers Zufluchtsort gewesen, sondern auch die Heimat der Hl.Elisabeth lange vor Luther. Diese Frau war eine Friedensstifterin und aus ihrem Handeln kann man einen Extrakt ziehen. Das sind die sieben Regeln, sieben Rosen, die aus einem heilen Herzen kommen.
Erste Regel: Du gehörst dazu.
Niemand darf ausgegrenzt werden. Jeder hat ein Recht dazusein und zur menschlichen Gemeinschaft zu gehören. Dieses Recht darf man niemanden streitig machen. Keiner ist wichtiger als der andere. Keiner soll sich wichtiger nehmen als der andere.
Zweite Regel: Ich höre dir zu.
Statt mit allzuviel Gerede einen Schutzwall zwischen sich und dem anderen aufzurichten, versuche ich dich erst einmal zu verstehen. Ich höre zu und lasse dich an mich heran.
Dritte Regel: Ich rede gut über dich!
Über das Schlechte rede ich nicht. Ich verschweige es. Aber die guten Seiten nehme ich wahr und benenne sie.
Vierte Regel: Ich gehe ein Stück Weg mit dir.
Nicht nur reden, sondern auch etwas gemeinsam tun. Manchmal lernt man den anderen dann ganz neu und anders kennen.
Ich teile mit dir
Ich besuche dich
Ich bete für dich –
das sind die weiteren Regeln. Die Wichtigsten aber sind für mich die ersten vier. Diese sollten wir einüben. Eine Gemeinde ist ein Experimentierfeld.
Stellen wir uns das nur einmal vor: Jeder redet nur noch gut über den anderen. Wie still das auf einmal in Alanya würde! Das Schlechte sagt man nur persönlich unter vier Augen, oder man behält es eine Weile für sich, bis es sich von alleine aufgelöst hat. Besser schweigen als schlecht reden.
Dann käme Frieden in unsere kleine Welt – und wir würden wirklich Söhne und Töchter Gottes heißen.
AMEN

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