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Samstag, 30. Mai 2020

Ökumenischer Gottesdienst am Pfingstmontag, 01.06.2018


Ökumenischer Gottesdienst am Pfingstmontag, 01.06..2018, um 11:00 Uhr 
in der Kirche im „Garten der Toleranz“ in Kadriye

als Lesung ist vorausgesetzt: Apg. 2, 1-24

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Predigt zu 2. Korinther 3,6:
Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig!"

Liebe Gemeinde,
"Schmückt das Fest mit Maien", so heißt es in einem alten Pfingstlied.
Aber: Warum eigentlich?
"O Heil'ger Geist, kehr bei uns ein." so heißt es in einem anderen Pfingstlied.
Aber: Was ist das denn für ein Geist?
Wir könnten die Fragen fortsetzen. Fände hier jetzt unter uns eine Meinungsumfrage statt, und jeder sollte in ein paar Sätzen sagen, was "Pfingsten" heißt, dann würden viele von uns woh ein paar Formeln zusammen bekommen – Heiliger Geist, Ausgießung des Geistes, eventuell noch: Geburtstag der Kirche -, aber: könnten wir auch sagen, was in diesen Formeln steckt, was sie meinen, was sie heute bedeuten?
Ich will's versuchen. Dabei lasse ich mich von zweierlei leiten, von einem Bild und von einem Spruch:
          Wir haben vorhin die alte Geschichte vom Pfingstwunder gehört. Der Geist Gottes kommt brausend vom Himmel herab, setzt sich auf die Menschen, besitzt damit die Menschen, und das sieht aus, wie wenn Flammenzungen aus den Menschen schlagen. Geist entflammt. Gottes Geist entflammt Menschen und macht sie neu reden. Andere denken: "Die sind betrunken..."
          Im zweiten Korintherbrief schreibt Paulus einer Gemeinde, dabei auch über sich selbst, und dabei fällt der Satz: "Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig."

Ich beginne mit drei verschiedenen Situationen, drei unterschiedlichen beispielhaften Lebensausschnitten, die ich jeweils mit ein paar Strichen skizzieren will.
Erstes Beispiel:
Zwei Regierungen schließen einen Vertrag miteinander und einigen sich auf geregelte Beziehungen. In dem Vertrag steht nicht: "Wir verzichten darauf, gegenseitig auf unsere Regierungschefs Spione anzusetzen." Tut es der eine dennoch, hat er zwar keinen Buchstaben verletzt, wohl aber den Geist des Vertrages. Das ist ein Beispiel für den Unterschied zwischen Buchstabe und Geist. Die Berufung auf den Buchstaben, die bloße Orientierung am Buchstaben, kann zerstören, weil der lebensschaffende Geist draußen bleibt.
Zweites Beispiel:
Die Kirche lebt aus der Bibel. So sagt man. Aber wie? So, dass wir den alten Text immer und immer wieder lesen, am besten aus-wändig lernen und aufsagen? Wenn doch die alte Bibel Geschichte und Erfahrung des Glaubens vielfältig enthält, bleiben wir dann nicht am besten Buchstabe für Buchstabe bei ihr?
So denkt mancher. Auch heute. Aber was würde daraus folgen?
Dies. Wir müssten dann uralte Texte buchstabengetreu wiederho-len; Texte, deren Verfasser in einer unvorstellbaren anderen Welt gelebt haben, und wir müssten zugleich unser Leben, unser Denken, unsere Welt fernhalten. Die Buchstaben wiederholen – und mit beiden Füßen in dieser Welt, im Jahre 2020 leben, das wäre wirklich zweierlei. Wollen wir das? Wer kann das überhaupt? Sollte dies "glauben" heißen?
Nein. Denn: die bloße Wiederholung von Buchstaben ist kein Leben, sondern erst der Geist schafft Leben. Das heißt jetzt: ich nehme die alten Texte, die alte Überlieferung der Bibel – ich setze sie dem Leben aus, der Not, der Freude, den Fragen des heutigen Lebens. Und dann kann es sein, dass sie neu sprechen, dass neuer Geist in alten Texten "spruchreif" wird – und dass Menschen etwas Neues zu sagen haben. Das ist dann oft was ganz anderes, als was die Vorfahren gesagt haben. Wie sollte es auch sonst sein?
Drittes Beispiel:
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist 71 Jahre alt. Es hat den Deutschen über Jahre hinweg eine grundlegende Rechtssicherheit gegeben. Staatsrechtler sagen, es sei im Grunde die beste Verfassung unter allen Demokratien der Welt. Was läge also näher, als an diesem Grundgesetz aber auch nicht einen Buchstaben zu verändern! Jedoch: das Grundgesetz ist in den vergangenen 70 Jahren seiner Geltung mindestens achtzig Mal geändert oder ergänzt worden. Warum?
Weil die einmal 1949 geschriebenen Buchstaben nicht alle kommenden, neuen, unerwarteten Lebenssituationen und Lebensfragen einfangen können. Man muss sich nämlich gelegentlich Neuem stellen, und dann lehrt der (Zeit-)Geist Neues zu sagen.

Das sind drei Beispiele: eins aus der Politik zwischen Völkern, eins aus der jüngsten Geschichte und eins, das die über zweitausend jährige Geschichte der Kirche und des Glaubens angeht. Alle drei Beispiele haben auf unterschiedliche Weise mit demselben zu tun, mit der Spannung zwischen Buchstabe und Geist.
Was lehren uns die drei Beispiele, wenn wir sie jetzt unmittelbar auf unseren Anlass, auf Pfingsten und den Heiligen Geist beziehen?
Ich will es zweifach zusammenfassen:
Einerseits: Pfingsten ist ein tolles Fest: ein Fest, das uns wie kein anderes einweist in die Dynamik des Lebens, hineinschickt in den lebendigen Prozess, uns nicht festhält im Gestern, sondern uns auf den Weg bringt ins Morgen mit seinen neuen Fragen, Aufgaben, Möglichkeiten. Pfingsten heißt: Bewegung und Veränderung. Pfing-sten heißt: Gott ist jung – die Kirche kann wieder jung werden, un-ser Glaube macht uns jung. Denn Pfingsten ist nicht ein Fest des Buchstabens, sondern des Geistes.
Dieser Geist ist nicht unser Geist – hat aber mit unserem Geist zu tun. Es ist nicht einfach unser Denken – hat aber auch damit zu tun. Es ist nicht der Geist einer bestimmten Gemeinde oder Gemein-schaft oder einer Gruppe – aber auch dort kann er lebendig sein. Was ist das für ein Geist?
Bildhaft gesagt: Gottes Geist, Jesu Geist, der in unser Denken und Handeln hineinfährt, es in neue Bewegung bringt, es zum Guten wendet und uns so über uns selbst hinausführen kann.
Weniger bildhaft gesagt: Es ist in all unserem Denken und Handeln jener Treffer, der irrenden, unvollkommenen Menschen hier und dort dennoch gelingen lässt, dass es dies auf Erden gibt: Liebe, Glück, Bestehen, Durchkommen.
Das andere: Pfingsten ist auch ein gefährliches Fest! Denn wer sagt denn, ob die Bewegung wirklich Neues bringt, das mir auch passt? Wer sagt vorher, ob – im Bilde gesprochen – das Jung-sein Gottes, der Kirche, des Glaubens nicht doch über die Stränge schlägt, gemessen am Bestehenden, Gültigen, fromm Gemessenen? Niemand kann's sagen. Ob also nicht doch die Ordnung des Buchstabens sicherer ist als das Wehen des Geistes? Mag sein: ruhiger – aber gilt das? Sollten wir das Bild von den züngelnden Flammen auf den Köpfen eventuell doch lieber auslöschen und ein anderes malen: Paragraphen, Gesetzesabschnitte, Buchstaben, die über jedem Kopf schweben?
Dreimal Nein!!! Denn: Dass das Neue Testament jene Geschichte vom Pfingstwunder überliefert, die Geschichte, in der die Umstehenden meinen: "die sind betrunken" – dass in den Festkalender der Kirche Pfingsten aufgenommen worden ist, das ist eine Ent-scheidung. Es ist die Entscheidung für ein tolles, zweitägiges Fest, obwohl es ein gefährliches Fest ist. Noch lieber würde ich sagen: die Entscheidung  das tolle Fest, weil es ein gefährliches Fest ist. Denn dies allein lässt heute Christ sein. Oder noch genauer: deswegen können viele, kann auch ich "JA" sagen zur alten Überlieferung des Glaubens, ja zur Buchstabenkirche, denn sie ist da, um jung zu werden – durch den Gott, der jung ist und der uns seinen Geist schenkt.
Darum, liebe Schwestern und Brüder: Halten wir die Flammen am Brennen... Schmücken wir das tolle Fest mit Maien...
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft es fassen kann, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland.      AMEN

Gebet:  Gott, himmlischer Vater,
an diesem Tag, an dem wir alle daran denken, wie dein Heiliger Geist uns Menschen verändern und froh machen will, da spüren wir zugleich auch, was uns fehlt.
Manche von uns, von den Christen heute, sind am Leben müde geworden, manche wohl auch am uns umgebenden Wohlstand. Wir spüren, wie wenig wir von der Macht der Freude beherrscht sind und uns die Phantasie des Glaubens fehlt. Viele haben es sich angewöhnt, lieber nach rückwärts zu schauen als nach vorwärts.
     Dabei wissen wir: es müsste nicht so sein und es dürfte nicht so sein! Denn du willst uns deinen Heiligen Geist ebenfalls schenken wie alles andere. Wir dürfen fest mit ihm rechnen in unserem Leben. Wir können uns auf ihn verlassen.
Deshalb bitten wir dich, Gott: Mach' uns heute, am Tag der Pfing-sten, voll Hoffnung, Mut und neuer Kraft. Lass uns das Leben wieder lernen.          Amen.

Segenswort:
Gott allen Trostes und aller Verheißung, segne uns und behüte uns; begleite uns mit deiner Liebe, die uns trägt und fordert; laß dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig, denn deine Güte schafft neues Leben; wende dein Angesicht uns zu und schaffe uns Heil; lege deinen Namen auf uns, und wir sind gesegnet.  Amen.

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