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Donnerstag, 9. April 2020

Andacht zu Karfreitag


Liebe einander im Lesen verbundene Gemeinde!
Es ist ja auch ein merkwürdiger Tag – so ein Karfreitag. Jener Tag, an welchem wir Christen weltweit an einen Mann denken, der am Galgen starb: Ein Hingerichteter, ein Gehenkter. Warum denken wir heute noch an diesen Mann? Warum ist uns seine Spur, sein Leben, warum ist uns sein Tod so wichtig? So wichtig, dass wir diesen Tag, Jahr um Jahr immer wieder neu begehen? - Zudem dann noch kurz und klar zu sagen, was die Kreuzigung des Jesus und die Auferstehung des Christus bis heute hin bedeuten – wer kann das?
Unser Nachdenken zu Kreuzigung und Auferstehung soll an diesem Karfreitag 2020 geleitet sein von einem Abschnitt aus dem Hebräerbrief im Neuen Testament, Kapitel 2, Verse 10 – 18:
10 Weil Gott wollte, dass viele Kinder Gottes in sein herrliches Reich aufgenommen werden, hat er den, der sie zur Rettung führen sollte, durch Leiden zur Vollendung gebracht. Das war der angemessene Weg für Gott, den Ursprung und das Ziel von allem. 11 Denn der Sohn, der die Menschen Gott weiht, und die Menschen, die von ihm Gott geweiht werden, stammen alle von demselben Vater. Darum schämt der Sohn sich nicht, sie seine Brüder zu nennen. 12 Er sagt zu Gott: »Ich will dich meinen Brüdern bekannt machen; in der Gemeinde will ich dich preisen.« 13 Er sagt auch: »Ich will mein Vertrauen auf Gott setzen!«, und fährt fort: »Hier bin ich mit den Kindern, die Gott mir gegeben hat.« 14 Weil diese Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, wurde der Sohn ein Mensch wie sie, um durch seinen Tod den zu vernichten, der über den Tod verfügt, nämlich den Teufel.  15 So hat er die Menschen befreit, die durch ihre Angst vor dem Tod das ganze Leben lang Sklaven gewesen sind. 16 Nicht für die Engel setzt er sich ein, sondern für die Nachkommen Abrahams.  17 Deshalb musste er in jeder Beziehung seinen Brüdern und Schwestern gleich werden. So konnte er ein barmherziger und treuer Oberster Priester für sie werden, um vor Gott Sühne zu leisten für die Sünden des Volkes.  18 Weil er selbst gelitten hat und dadurch auf die Probe gestellt worden ist, kann er nun den Menschen helfen, die ebenfalls auf die Probe gestellt werden.

Für meinen Geschmack sind fast zu viele Themen in diesem Abschnitt angeschlagen. Und weil er auch nicht leicht zu verstehen ist, gestatten Sie mir bitte, dass ich ihn nach der modernen Übersetzung der "Gute Nachricht Bibel" verwende und ganz zum Schluss noch einmal abdrucke.
Die Gedanken in Hebräer 2 kreisen um die Kreuzigung des Jesus und die Auferstehung des Christus. Für die Menschen, die Jesus damals überzeugt hatte, war seine Hinrichtung am Verbrechergalgen ein gewaltiger, ein furchtbarer Schock, ein "Supergau" sozusagen. Denn: Hatte Jesus nicht überzeugend aus dem Wissen gelebt, das Gott ihm Vater ist? War dieses sichere Wissen nicht die Kraft seines Lebens gewesen und die Quelle seines einladenden Predigens und Handelns?Gott ist da für jeden Menschen, der ihn braucht! Ein menschenzugewandter Gott! Ein Vater – nicht zuletzt auch all' derer, die sich übersehen fühlen, den "Zöllnern und Sündern", die als Beispiel immer wieder genannt sind. Gott ist da für Euch! Das war doch die Botschaft Jesu gewesen, ist sie bis heute!
Gott: »Ich will dich meinen Brüdern bekannt machen; in der Gemeinde will ich dich preisen.« So fasst unser Bibelabschnitt die Botschaft Jesu mit einem Satz aus den Psalmen zusammen. Mit Gott als einem liebenden Vater hatte sich Jesus idntifiziert und – wie er sicher glaubte – dieser Gott dann seinerseits auch mit ihm. War durch das schreckliche Ende Jesu am Verbrechergalgen damit nicht auch seine ganze Verkündigung als falsch entlarvt? Als ungeheure Anmaßung gebrandmarrkt?
Nein, es führt uns heute kein Weg um die Erkenntnis herum: Am Galgen sterbend musste Jesus erfahren, dass Gott nicht mit ihm ist. Dass er vielmehr fern ist, unerreichbar. Und da schreit Jesus – und, liebe Gemeinde, zu wem schreit er? - Er schreit zu Gott!!! - In diesem Moment entsetzlicher Qual und augenscheinlicher Gottverlassenheit such er Zuflucht – bei Gott. Da schreit er zu ihm: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Im vergehenden Leben, im Augenblick vollkommener Gottverlassenheit such er – immer noch – Zuflucht bei Gott! Und stirbt.
"Ich will mich auf Gott verlassen" – kann der Hebräerbrief den lebenden und sogar den schrecklich sterbenden Jesus besser in seinem Wesen beschreiben? "Ich will mich – gegen jeden Augenschein! - auf Gott verlassen! Darum heißt es denn auch in Kapitel 12 desselben Briefes: "Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens."
Wahrscheinlich würde heute kein Mensch mehr vom Leben Jesu und seinem Ende sprechen, wenn sich nicht das ereignet hätte, was der christliche Glaube "Auferstehung Christi" nennt. Die Berichte der Evangelisten lassen erkennen, dass sich am Ostermorgen erst den Anhängern Jesu so richtig voll offenbarte, was am Karfreitag geschehen war: nämlich, dass sein Sterben nicht das Scheitern seines Lebens bedeutete, sondern die Vollendung seines Lebens. Das Dunkel des Karfreitags war hell geworden. Jesus hatte im Leiden am Kreuz sein irdisches Leben vollendet.
Sein Sterben hat aber auch noch eine ganz andere Seite! "O, große Not, Gott selbst liegt tot: Am Kreuz ist er gestorben", so heißt es in einem alten Karfreitagslied. Bedeutet das nicht, dass sich im Sterben Jesu Gott selbst dem Tode ausliefert? Ja! "Gott will den Tod nicht mehr loswerden, damit der Tod ihn, Gott, nicht mehr loswerden kann. Wo der Tod nun auch hinkommt, da kommt Gott selbst", hat der Theologe Eberhard Jüngel einmal erklärt. Und genau deshalb können wir mit dem Apostel Paulus sagen: "Der Tod ist verschlungen in den Sieg!" In unserem heutigen Text ist das so ausgedrückt: Weil diese Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, wurde der Sohn ein Mensch wie sie, um durch seinen Tod den zu vernichten, der über den Tod verfügt, nämlich den Teufel. Das Ende Jesu ließ die ersten Christengenerationen nicht los. Mitt immer wieder anderen Vorstellungen und Bildern versuchten sie das Rätsel des Kreuzes zu begreifen, bis ihnen die Augen geöffnet wurden: AHA, so ist das: Jesus ist für uns gestorben!
Wir heute, liebe Brüder und Schwestern, verstehen das dann richtg, wenn wir mit dieser Entdeckung Grundlegendes über Gott lernen: Gott ist ein "Liebhaber des Lebens!" Indem Jesus wie jeder andere Mensch auf Erden gelebt hat und dabei Gottes Liebe geglaubt und gelebt hat, hat er Gottes Wesen uns offenbar gemacht. Und Jesus hat gerade solche Menschen an sich gezogen, die am Rande der damaligen Gesellschaft lebten oder sogar ganz ausgestoßen waren. Wer sich an Jesus und damit an Gottes Liebe orientiert, der wird auch heute das Leben in unserer von Krisen und Viren jeder Art bedrohten, harten Welt bejahen, der kann auch fremdes, beschädigtes, leistungsschwaches, andersartiges Leben annehmen, ihm Lebensraum geben. Jesu Sterben für uns gilt dann wirklich für uns, wenn wir erkennen, dass wir sonst selbst unser Leben nur zu gern aus eigenem Vermögen, eigener Kraft, Klugheit und stolzer Selbstsicherheit ohne und gegen Gott zu leben versuchen. Jesus starb "für uns", das drückt unser Bibeltext aus mit: "vor Gott für ihre Schuld Sühne leisten."
Der Gottesdienst im Tempel zu Jerusalem bietet den Christen des Hebräerbriefes ein anschauliches Bild, um das Sterben Jesu "für uns" deutlich zu machen. Nämlich, einmal im Jahr geht im Gottesdienst des Versöhnungsfestes der Inhaber des höchsten Priesteramtes in den tiefdunklen letzten Raum des Tempels, das sogenannte "Allerheiligste", um Gott durch eine Opfergabe mit seinem Volk wieder zu versöhnen. Und genau so kann dann auch das Leben und der Kreuzestod Jesu verstanden werden: Jesus ist selbst der gottversöhnende Hohepriester! Ja; so machten es sich die Christen des Hebräerbriefes klar: War nicht der freiwillige Weg Jesu so etwas wie das Selbstopfer des Hohenpriesters Jesus von Nazareth?
Die Bilder in unserem Textabschnitt aus dem Hebräerbriefes schieben sich förmlich ineinander, wenn wir lesen: Deshalb musste er in jeder Beziehung seinen Brüdern und Schwestern gleich werden. So konnte er ein barmherziger und treuer Oberster Priester für sie werden, um vor Gott Sühne zu leisten für die Sünden des Volkes.
Übrigens ist ja auch in den Einsetzungsworten zum Heiligen Abendmahls, zu welchem bis auf den heutigen Tag an unendlich vielen Orten auf Erden Christen an den Tisch ihres Herrn eingeladen werden, ist dort das Kreuzsterben Jesu ja auch erklärt mit den Worten: "Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden". Wir können einfach einen so bedeutungsvollen Vorgang wie das Kreuzessterben Jesu einfach nicht in einen einzigen Begriff pressen. Wir müssen ihn in unterschiedlichen Bildern umschreiben und zu verstehen suchen.
Ist nicht die geheime Überschrift über dem Leben und Sterben von Jesus der hier zitierte Jesaja-Satz: "Ich will mich auf Gott verlassen"?
Es ist für mich befreiend, wenn wir uns klar machen: Gott lebt für uns. Darin liegt die ganze Botschaft von Karfreitag. Oder, wie Eberhard Jüngel schreibt: "In diesen vier Worten (Gott lebt für uns!) ist das ganze Geheimnis von Karfreitag und Ostern; ist das abgrundtiefe Geheimnis der Existenz Gottes zwischen Leben und Tod zur Stelle. Dass Gott lebet, offenbart sich am Ostertag. Dass er für uns lebt, ist die Wahrheit seines Todes." Wie gut, liebe Schwestern und Brüder, dass wir in diesen Tagen von diesem Gott in Jesus Christus eingeladen sind zu bekennen: "Deinen Tod, o Herr, verkündigen wir, bis dass du kommst in Ewigkeit!
Lesen wir Hebräer 2, 10-18: Weil Gott wollte, dass viele Kinder Gottes in sein herrliches Reich aufgenommen werden, hat er den, der sie zur Rettung führen sollte, durch Leiden zur Vollendung gebracht. Das war der angemessene Weg für Gott, den Ursprung und das Ziel von allem. Denn der Sohn, der die Menschen Gott weiht, und die Menschen, die von ihm Gott geweiht werden, stammen alle von demselben Vater. Darum schämt der Sohn sich nicht, sie seine Brüder zu nennen. Er sagt zu Gott: »Ich will dich meinen Brüdern bekannt machen; in der Gemeinde will ich dich preisen.« Er sagt auch: »Ich will mein Vertrauen auf Gott setzen!«, und fährt fort: »Hier bin ich mit den Kindern, die Gott mir gegeben hat.« Weil diese Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, wurde der Sohn ein Mensch wie sie, um durch seinen Tod den zu vernichten, der über den Tod verfügt, nämlich den Teufel. So hat er die Menschen befreit, die durch ihre Angst vor dem Tod das ganze Leben lang Sklaven gewesen sind. Nicht für die Engel setzt er sich ein, sondern für die Nachkommen Abrahams. Deshalb musste er in jeder Beziehung seinen Brüdern und Schwestern gleich werden. So konnte er ein barmherziger und treuer Oberster Priester für sie werden, um vor Gott Sühne zu leisten für die Sünden des Volkes. Weil er selbst gelitten hat und dadurch auf die Probe gestellt worden ist, kann er nun den Menschen helfen, die ebenfalls auf die Probe gestellt werden.

Und der Friede Gottes, welcher aus Gnade und Freundlichkeit besteht, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.     AMEN

Segenswort: Gott stärke, was in uns wachsen will, Gott schütze, was uns lebendig macht. Gott behüte, was wir weitertragen. Gott bewahre, was wir freigeben. Gott segne uns und behüte uns.   Amen.
Ihr / Euer Frieder Lenger

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