Liebe einander im Lesen verbundene Gemeinde!
Es ist ja auch ein merkwürdiger
Tag – so ein Karfreitag. Jener Tag, an welchem wir Christen weltweit an einen
Mann denken, der am Galgen starb: Ein Hingerichteter, ein Gehenkter. Warum
denken wir heute noch an diesen Mann? Warum ist uns seine Spur, sein Leben,
warum ist uns sein Tod so wichtig? So wichtig, dass wir diesen Tag, Jahr um
Jahr immer wieder neu begehen? - Zudem dann noch kurz und klar zu sagen, was
die Kreuzigung des Jesus und die Auferstehung des Christus bis heute hin
bedeuten – wer kann das?
Unser Nachdenken zu Kreuzigung
und Auferstehung soll an diesem Karfreitag 2020 geleitet sein von einem
Abschnitt aus dem Hebräerbrief im Neuen Testament, Kapitel 2, Verse 10 – 18:
10 Weil Gott wollte, dass
viele Kinder Gottes in sein herrliches Reich aufgenommen werden, hat er den,
der sie zur Rettung führen sollte, durch Leiden zur Vollendung gebracht. Das
war der angemessene Weg für Gott, den Ursprung und das Ziel von
allem. 11 Denn der Sohn, der die Menschen Gott weiht, und die
Menschen, die von ihm Gott geweiht werden, stammen alle von demselben Vater.
Darum schämt der Sohn sich nicht, sie seine Brüder zu nennen. 12 Er
sagt zu Gott: »Ich will dich meinen Brüdern bekannt machen; in der Gemeinde
will ich dich preisen.« 13 Er sagt auch: »Ich will mein Vertrauen auf Gott
setzen!«, und fährt fort: »Hier bin ich mit den Kindern, die Gott mir gegeben
hat.« 14 Weil diese Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, wurde der
Sohn ein Mensch wie sie, um durch seinen Tod den zu vernichten, der über den
Tod verfügt, nämlich den Teufel. 15 So hat er die Menschen befreit,
die durch ihre Angst vor dem Tod das ganze Leben lang Sklaven gewesen sind. 16 Nicht
für die Engel setzt er sich ein, sondern für die Nachkommen Abrahams.
17 Deshalb musste er in jeder Beziehung seinen Brüdern und Schwestern
gleich werden. So konnte er ein barmherziger und treuer Oberster
Priester für sie werden, um vor Gott Sühne zu leisten für die Sünden
des Volkes. 18 Weil er selbst gelitten hat und dadurch auf die Probe
gestellt worden ist, kann er nun den Menschen helfen, die ebenfalls auf die
Probe gestellt werden.
Für meinen Geschmack sind fast zu
viele Themen in diesem Abschnitt angeschlagen. Und weil er auch nicht leicht zu
verstehen ist, gestatten Sie mir bitte, dass ich ihn nach der modernen
Übersetzung der "Gute Nachricht Bibel" verwende und ganz zum Schluss
noch einmal abdrucke.
Die Gedanken in Hebräer 2 kreisen
um die Kreuzigung des Jesus und die Auferstehung des Christus. Für die
Menschen, die Jesus damals überzeugt hatte, war seine Hinrichtung am
Verbrechergalgen ein gewaltiger, ein furchtbarer Schock, ein
"Supergau" sozusagen. Denn: Hatte Jesus nicht überzeugend aus dem
Wissen gelebt, das Gott ihm Vater ist? War dieses sichere Wissen nicht die
Kraft seines Lebens gewesen und die Quelle seines einladenden Predigens und
Handelns?Gott ist da für jeden Menschen, der ihn braucht! Ein menschenzugewandter
Gott! Ein Vater – nicht zuletzt auch all' derer, die sich übersehen
fühlen, den "Zöllnern und Sündern", die als Beispiel immer wieder
genannt sind. Gott ist da für Euch! Das war doch die
Botschaft Jesu gewesen, ist sie bis heute!
Gott: »Ich will dich meinen
Brüdern bekannt machen; in der Gemeinde will ich dich preisen.« So fasst unser
Bibelabschnitt die Botschaft Jesu mit einem Satz aus den Psalmen zusammen. Mit
Gott als einem liebenden Vater hatte sich Jesus idntifiziert und – wie
er sicher glaubte – dieser Gott dann seinerseits auch mit ihm. War durch das
schreckliche Ende Jesu am Verbrechergalgen damit nicht auch seine ganze
Verkündigung als falsch entlarvt? Als ungeheure Anmaßung gebrandmarrkt?
Nein, es führt uns heute kein Weg
um die Erkenntnis herum: Am Galgen sterbend musste Jesus erfahren, dass Gott nicht
mit ihm ist. Dass er vielmehr fern ist, unerreichbar. Und da schreit Jesus –
und, liebe Gemeinde, zu wem schreit er? - Er schreit zu Gott!!!
- In diesem Moment entsetzlicher Qual und augenscheinlicher Gottverlassenheit
such er Zuflucht – bei Gott. Da schreit er zu ihm: "Mein Gott, mein
Gott, warum hast du mich verlassen?" Im vergehenden Leben, im
Augenblick vollkommener Gottverlassenheit such er – immer noch –
Zuflucht bei Gott! Und stirbt.
"Ich will mich auf Gott
verlassen" – kann der Hebräerbrief den lebenden und sogar den schrecklich
sterbenden Jesus besser in seinem Wesen beschreiben? "Ich will mich –
gegen jeden Augenschein! - auf Gott verlassen! Darum heißt es denn auch in
Kapitel 12 desselben Briefes: "Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger
und Vollender des Glaubens."
Wahrscheinlich würde heute kein
Mensch mehr vom Leben Jesu und seinem Ende sprechen, wenn sich nicht das
ereignet hätte, was der christliche Glaube "Auferstehung Christi"
nennt. Die Berichte der Evangelisten lassen erkennen, dass sich am Ostermorgen
erst den Anhängern Jesu so richtig voll offenbarte, was am Karfreitag
geschehen war: nämlich, dass sein Sterben nicht das Scheitern seines
Lebens bedeutete, sondern die Vollendung seines Lebens. Das Dunkel des
Karfreitags war hell geworden. Jesus hatte im Leiden am Kreuz sein irdisches
Leben vollendet.
Sein Sterben hat aber auch noch
eine ganz andere Seite! "O, große Not, Gott selbst liegt tot: Am Kreuz ist
er gestorben", so heißt es in einem alten Karfreitagslied. Bedeutet das
nicht, dass sich im Sterben Jesu Gott selbst dem Tode ausliefert? Ja! "Gott
will den Tod nicht mehr loswerden, damit der Tod ihn, Gott, nicht mehr
loswerden kann. Wo der Tod nun auch hinkommt, da kommt Gott selbst",
hat der Theologe Eberhard Jüngel einmal erklärt. Und genau deshalb können wir
mit dem Apostel Paulus sagen: "Der Tod ist verschlungen in den
Sieg!" In unserem heutigen Text ist das so ausgedrückt: Weil diese
Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, wurde der Sohn ein Mensch wie sie,
um durch seinen Tod den zu vernichten, der über den Tod verfügt, nämlich den
Teufel. Das Ende Jesu ließ die ersten Christengenerationen nicht los.
Mitt immer wieder anderen Vorstellungen und Bildern versuchten sie das Rätsel
des Kreuzes zu begreifen, bis ihnen die Augen geöffnet wurden: AHA, so ist das:
Jesus ist für uns gestorben!
Wir heute, liebe Brüder und
Schwestern, verstehen das dann richtg, wenn wir mit dieser Entdeckung
Grundlegendes über Gott lernen: Gott ist ein "Liebhaber des Lebens!"
Indem Jesus wie jeder andere Mensch auf Erden gelebt hat und dabei
Gottes Liebe geglaubt und gelebt hat, hat er Gottes Wesen uns
offenbar gemacht. Und Jesus hat gerade solche Menschen an sich gezogen, die am
Rande der damaligen Gesellschaft lebten oder sogar ganz ausgestoßen waren. Wer
sich an Jesus und damit an Gottes Liebe orientiert, der wird auch heute das
Leben in unserer von Krisen und Viren jeder Art bedrohten, harten Welt bejahen,
der kann auch fremdes, beschädigtes, leistungsschwaches, andersartiges Leben
annehmen, ihm Lebensraum geben. Jesu Sterben für uns gilt dann
wirklich für uns, wenn wir erkennen, dass wir sonst selbst unser Leben nur zu
gern aus eigenem Vermögen, eigener Kraft, Klugheit und stolzer Selbstsicherheit
ohne und gegen Gott zu leben versuchen. Jesus starb "für
uns", das drückt unser Bibeltext aus mit: "vor Gott für ihre
Schuld Sühne leisten."
Der Gottesdienst im Tempel zu
Jerusalem bietet den Christen des Hebräerbriefes ein anschauliches Bild, um das
Sterben Jesu "für uns" deutlich zu machen. Nämlich,
einmal im Jahr geht im Gottesdienst des Versöhnungsfestes der Inhaber des
höchsten Priesteramtes in den tiefdunklen letzten Raum des Tempels, das
sogenannte "Allerheiligste", um Gott durch eine Opfergabe mit seinem
Volk wieder zu versöhnen. Und genau so kann dann auch das Leben und der
Kreuzestod Jesu verstanden werden: Jesus ist selbst der gottversöhnende Hohepriester!
Ja; so machten es sich die Christen des Hebräerbriefes klar: War nicht der
freiwillige Weg Jesu so etwas wie das Selbstopfer des Hohenpriesters Jesus von
Nazareth?
Die Bilder in unserem
Textabschnitt aus dem Hebräerbriefes schieben sich förmlich ineinander, wenn
wir lesen: Deshalb musste er in jeder Beziehung seinen Brüdern und
Schwestern gleich werden. So konnte er ein barmherziger und treuer Oberster
Priester für sie werden, um vor Gott Sühne zu leisten für die Sünden
des Volkes.
Übrigens ist ja auch in den
Einsetzungsworten zum Heiligen Abendmahls, zu welchem bis auf den heutigen Tag
an unendlich vielen Orten auf Erden Christen an den Tisch ihres Herrn
eingeladen werden, ist dort das Kreuzsterben Jesu ja auch erklärt mit den
Worten: "Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch
vergossen wird zur Vergebung der Sünden". Wir können einfach einen so
bedeutungsvollen Vorgang wie das Kreuzessterben Jesu einfach nicht in einen
einzigen Begriff pressen. Wir müssen ihn in unterschiedlichen Bildern
umschreiben und zu verstehen suchen.
Ist nicht die geheime Überschrift
über dem Leben und Sterben von Jesus der hier zitierte Jesaja-Satz: "Ich
will mich auf Gott verlassen"?
Es ist für mich befreiend, wenn
wir uns klar machen: Gott lebt für uns. Darin liegt die ganze
Botschaft von Karfreitag. Oder, wie Eberhard Jüngel schreibt: "In diesen
vier Worten (Gott lebt für uns!) ist das ganze Geheimnis von
Karfreitag und Ostern; ist das abgrundtiefe Geheimnis der Existenz Gottes
zwischen Leben und Tod zur Stelle. Dass Gott lebet, offenbart sich am Ostertag.
Dass er für uns lebt, ist die Wahrheit seines Todes." Wie gut,
liebe Schwestern und Brüder, dass wir in diesen Tagen von diesem Gott in
Jesus Christus eingeladen sind zu bekennen: "Deinen Tod, o Herr, verkündigen
wir, bis dass du kommst in Ewigkeit!
Lesen wir Hebräer 2, 10-18: Weil
Gott wollte, dass viele Kinder Gottes in sein herrliches Reich aufgenommen
werden, hat er den, der sie zur Rettung führen sollte, durch Leiden zur
Vollendung gebracht. Das war der angemessene Weg für Gott, den Ursprung und das
Ziel von allem. Denn der Sohn, der die Menschen Gott weiht, und die
Menschen, die von ihm Gott geweiht werden, stammen alle von demselben Vater.
Darum schämt der Sohn sich nicht, sie seine Brüder zu nennen. Er sagt zu
Gott: »Ich will dich meinen Brüdern bekannt machen; in der Gemeinde will ich
dich preisen.« Er sagt auch: »Ich will mein Vertrauen auf Gott setzen!«, und
fährt fort: »Hier bin ich mit den Kindern, die Gott mir gegeben hat.« Weil
diese Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, wurde der Sohn ein Mensch wie
sie, um durch seinen Tod den zu vernichten, der über den Tod verfügt, nämlich
den Teufel. So hat er die Menschen befreit, die durch ihre Angst vor dem
Tod das ganze Leben lang Sklaven gewesen sind. Nicht für die Engel setzt er
sich ein, sondern für die Nachkommen Abrahams. Deshalb musste er in jeder
Beziehung seinen Brüdern und Schwestern gleich werden. So konnte er ein
barmherziger und treuer Oberster Priester für sie werden, um vor Gott Sühne zu
leisten für die Sünden des Volkes. Weil er selbst gelitten hat und dadurch
auf die Probe gestellt worden ist, kann er nun den Menschen helfen, die
ebenfalls auf die Probe gestellt werden.
Und der Friede Gottes, welcher aus Gnade und
Freundlichkeit besteht, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN
Segenswort: Gott stärke, was in uns wachsen will, Gott
schütze, was uns lebendig macht. Gott behüte, was wir weitertragen. Gott
bewahre, was wir freigeben. Gott segne uns und behüte uns. Amen.
Ihr / Euer Frieder
Lenger
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